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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Sie!
    Lacon
marschierte wieder los und drehte dabei an seinem Siegelring, als sei er ihm
zu eng. Ich brauche dich, dachte Smiley, als er ihm zusah, wie er seine
Kreise zog. Ich liebe dich, ich hasse dich, ich brauche dich. Diese
apokalyptischen Verlautbarungen erinnerten ihn an Ann, wenn ihr das Geld oder
die Liebe ausgegangen waren. Das Herz des Satzes ist das Subjekt, dachte er.
Nicht das Verbum und schon gar nicht das Objekt. Das Herz ist das Ich, das sein
Teil fordert.
    Mich
brauchen, wozu? dachte er wieder. Um sie zu trösten? Ihnen die Absolution zu
erteilen? Was haben sie getan, daß sie meine Vergangenheit brauchen, um ihre
Zukunft wieder ins Lot zu bringen?
    Im
Hintergrund des Zimmers hielt Lauder Strickland wie ein Faschist auf einer
Rednertribüne einen Arm hoch, während er sich an die Obrigkeit wandte.
    »Ja,
Chef, er ist zur Zeit bei uns, Sir ... Ich werd's bestellen, Sir ... Gewiß, Sir
... Ich werde es ihm ausrichten ... Ja, Sir ...« Warum fühlen die Schotten sich
von der Geheimwelt so angezogen? Smiley dachte nicht zum erstenmal in seiner
Karriere darüber nach. Schiffsingenieure, Kolonialbeamte, Spione . . . Ihre
häretische schottische Geschichte zog sie zu fernen Kirchen. »George!«
Strickland rief Smileys Namen, plötzlich lauter, wie einen Befehl. »Sir Saul
läßt Sie persönlich aufs herzlichste grüßen, George!« Er war herumgewirbelt,
noch immer mit erhobenem Arm. »In einem ruhigeren Augenblick wird er Ihnen
seine Dankbarkeit passender ausdrücken.« Wieder ins Telefon: »Ja, Chef, Oliver
Lacon ist auch hier bei uns, und sein Gegenstück im Innenministerium
konferiert gerade mit dem Commissioner of Police betreffs unseres einstigen
Interesses an dem Toten und der Vorbereitung einer Presseverlautbarung.«
    Einstiges
Interesse, registrierte Smiley. Ein einstiges Interesse mit weggeschossenem
Gesicht und keinen Zigaretten in der Tasche. Gelbe Kreide. Smiley unterzog
Strickland einer offenen Musterung: den scheußlichen grünen Anzug, die zum
Wildleder-Look aufgerauhten schweinsledernen Schuhe. Die einzige Veränderung,
die er an ihm feststellen konnte, war ein rotbrauner Schnurrbart, nicht halb
so militärisch wie Wladimirs Bart gewesen war, als er noch einen hatte.
    »Jawohl,
Sir, >ein erloschener Fall, von historischen Belangs Sir,« schnurrte
Strickland weiter ins Telefon. Erloschen stimmt, dachte Smiley. Erloschen,
verloschen, ausgelöscht. »Haargenau die richtige Terminologie«, fuhr Strickland
fort. »Und Oliver Lacon schlägt vor, es so Wort für Wort in die Pressenotiz
aufzunehmen. Liege ich da richtig, Oliver?«
    »Rein historisch«, korrigierte Lacon ihn gereizt. »Nicht von historischem Belang. Das fehlte uns gerade noch! Rein historisch.« Er durchquerte das Zimmer,
offensichtlich, um durch das Fenster auf den kommenden Tag zu schauen.
    »Enderby
hat immer noch das Sagen, wie, Oliver?« fragte Smiley den ihm
zugewandten Rücken Lacons.
    »Ja.
Ja, immer noch Saul Enderby, Ihr alter Gegenspieler, und er tut Wunder«, gab
Lacon ungeduldig zurück. Er zog so heftig an der Gardine, daß sie aus der
Gleitschiene sprang. »Nicht Ihr Stil, zugegeben, aber warum auch? Überzeugter
Atlantiker.« Er versuchte, den Fensterflügel mit Gewalt zu öffnen. »Man hat's
nicht leicht unter einer derartigen Regierung, das kann ich Ihnen sagen.« Er
versetzte dem Griff einen weiteren heftigen Stoß. Ein eisiger Luftzug strich um
Smileys Knie. »Halten einen ganz schön auf Trab. Mostyn, wo bleibt der Tee. Wir
warten schon eine Ewigkeit darauf.«
    Unser
ganzes Leben lang, dachte Smiley. Durch das Gekeuche eines bergauf fahrenden
Lasters hörte er wieder Strickland, dessen Gespräch mit Saul Enderby sich
hinzog. »Ich meine, wir dürfen ihn bei der Presse nicht zu weit herunterspielen,
Chef. Dumm stellen ist alles, in einem derartigen Fall. Auch der Einstieg über
das Privatleben ist hier gefährlich. Was wir brauchen, ist ein absoluter
Mangel an Gegenwartsbezug. Wie wahr, wie wahr, ganz richtig, Chef-« Und weiter
dröhnte er in alerter Speichelleckerei. »Oliver-« begann Smiley, der die Geduld
verlor. »Oliver, hätten Sie etwas dagegen, mir -«
    Doch
Lacon wollte reden, nicht zuhören. »Wie geht's Ann?« fragte er vage herüber und
lehnte die Unterarme aufs Fensterbrett. »Hoffentlich hübsch zu Hause und so
weiter, streunt nicht, oder? Mein Gott, ich hasse den Herbst.«
    »Gut,
danke. Wie geht's -« Er versuchte vergebens, sich an den Vornamen von Lacons
Frau zu erinnern.
    »Auf
und davon,

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