Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
Vom Netzwerk:
zurecht. Er legte
Wladimirs Zigarettenpäckchen hinein, zusammen mit dem Brief der Ostrakowa und
stopfte den Leerraum mit Zeitungen aus. Er wickelte die Schachtel ein und
verhedderte seine Finger im Scotchtape. Mit Klebebändern war er noch nie zu
Rande gekommen. Er schrieb seinen eigenen Namen obenauf und den Zusatz »Wird
abgeholt«. Er entlohnte das Taxi am Savoy Hotel, wo er die Schachtel, zusammen
mit einer Pfundnote, dem Wärter des Waschraums für Herren zur Verwahrung gab.
    »Nicht schwer genug für eine Bombe,
wie, Sir?« fragte der Wärter und hielt das Paket scherzhaft ans Ohr.
    »Da würde ich nicht so sicher sein«,
sagte Smiley, und sie lachten beide herzhaft darüber.
    Sagen Sie Max, es betrifft den
Sandmann«, dachte er. Wladimir, fragte
Smiley sich nachdenklich, was war dein zweiter Beweis?
     
     

9
     
     
     
     
    Krane und Gasometer
verstellten den Horizont, Schornsteine spuckten träge ockerfarbenen Rauch in
die niedrig hängenden Regenwolken. Wäre es nicht Sonnabend gewesen, Smiley
hätte die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt, doch an Samstagen wagte er sich
ans Steuer, obwohl er mit dem Verbrennungsmotor auf Kriegsfuß stand. Er hatte
die Themse an der Vauxhall Bridge überquert, Greenwich lag hinter ihm, und er
fuhr jetzt durch das flache zersiedelte Hinterland der Docks. Während die Scheibenwischer
hin- und herzitterten, krochen große Regentropfen durch die Karosserie seines
armen englischen Kleinwagens. Mißmutige Kinder, die unter dem Schutzdach einer
Bushaltestelle standen, riefen: »Nimm's Gas weg, Chef.«
    Er hatte sich rasiert, ein Bad
genommen, aber nicht geschlafen. Er hatte Wladimirs Telefonrechnung an Lacon
geschickt mit der Bitte um sofortige Aufschlüsselung aller nachprüfbaren
Anrufe. Sein Geist war klar, wurde aber von anarchischen Stimmungsschwankungen
heimgesucht. Er trug den braunen Tweedmantel, den er immer auf Reisen benutzte.
Er meisterte einen Kreisverkehr, fuhr eine Anhöhe hinauf, und plötzlich stand
unter einem Aushängeschild, das einen rotgesichtigen Krieger darstellte, ein
prachtvoller Pub im viktorianischen Stil vor ihm. Die Battle-of-the-Nile Street
nahm hier ihren Anfang und führte zu einer Insel aus zertretenem Gras, und auf
der Insel erhob sich die aus Stein und Klinker erbaute Sankt Saviour's Kirche,
die den zerfallenden viktorianischen Lagerhäusern Gottes Botschaft verkündete.
Ein Anschlag besagte, daß die Predigt am nächsten Sonntag von einem weiblichen
Major der Heilsarmee gehalten werde, und vor dem Anschlag stand das Monstrum:
ein zehn Meter langer knallroter Riesenlaster. Die Seitenfenster waren mit
Fußballwimpeln bestückt, und eine Menge buntscheckiger Hotelaufkleber bedeckten
eine der Türen. Der Laster war das größte Ding weit und breit, größer sogar als
die Kirche. Irgendwo in der Ferne hörte Smiley, wie ein Motorrad verlangsamte
und dann wieder beschleunigte, aber er nahm sich nicht einmal die Mühe, umzuschauen.
Die vertraute Eskorte war ihm seit Chelsea gefolgt; doch Angst ist, wie er in
Sarratt zu predigen pflegte, eine Ermessensfrage.
    Smiley folgte einem Pfad durch
einen gräberlosen Friedhof. Reihen von Leichensteinen begrenzten die Fläche,
den Mittelpunkt bildeten ein Klettergerüst und drei neue Standard-Einfamilienhäuser.
Das erste Haus hieß Zion, das zweite trug keinen Namen, und das dritte hieß
Nummer Drei. Alle hatten breite Fenster, doch nur Nummer Drei besaß
Spitzengardinen. Als Smiley das Gartentor aufstieß, war alles, was er sah, ein
einzelner Schatten im Oberstock des Hauses. Der Schatten war zuerst
unbeweglich, dann sank er in sich zusammen, als habe der Fußboden ihn aufgesogen.
Blitzartig fuhr Smiley die schreckliche Frage durch den Kopf, ob er nicht
soeben Zeuge eines weiteren Mordes gewesen sei. Er drückte auf die Klingel, und
im Hausinneren explodierte ein Glockenspiel. Die Tür bestand aus geriffeltem
Glas. Erpreßte ein Auge dagegen und sah einen braunen Treppenläufer und etwas,
das ein Kinderwagen sein mochte. Er klingelte nochmals und hörte einen Schrei,
der leise einsetzte und stetig anschwoll. Zuerst glaubte er, es sei ein Kind,
dann eine Katze, dann ein Flötenkessel. Das Geräusch erreichte seinen
Höhepunkt, verharrte dort eine Weile und brach dann jäh ab, weil entweder
jemand den Kessel vom Feuer genommen hatte oder der Pfeifaufsatz weggesprungen
war. Er ging zur Rückseite des Hauses. Sie unterschied sich in nichts von der
Vorderseite, abgesehen von den Abflußrohren, einem

Weitere Kostenlose Bücher