Carre, John le
dieses Einwands. Seine
Hände fuhren auseinander und beschrieben hektische Bogen, das braune Haar flog
auf und nieder.
»Sicher! Wladimir war Freund meines
Vaters. Guter Freund. Auch von Beckie der Taufpate, okay? Aber nicht für
Politik. Nicht mehr.« Er blickte Zustimmung heischend auf Stella. »Ich, ich bin
William Craven. Ich hab englisches Haus, englische Frau, englisches Kind,
englischen Namen, okay?«
»Und einen englischen Job«, warf
Stella ruhig ein und sah ihn an. »Guter Job! Wissen Sie, wieviel ich verdiene,
Max? Wir kaufen Haus. Vielleicht sogar Wagen, okay?«
Etwas an Williams Verhalten - seine
Redewut vielleicht oder die Energie, mit der er sich verteidigte - hatte die
Aufmerksamkeit seiner Frau erregt, denn jetzt beobachtete Stella ihn ebenso
intensiv, wie Smiley dies tat, und sie hielt das Baby zerstreut, fast
gleichgültig vor sich hin.
»Wann haben Sie ihn zuletzt
gesehen, William?« fragte Smiley.
»Wen, Max? Wen gesehen? Ich
versteh' Sie nicht, bitte.«
»Sag's ihm, Bill«, befahl Stella
und ließ ihren Mann keine Sekunde aus den Augen.
»Wann haben Sie Wladimir zuletzt
gesehen?« wiederholte Smiley geduldig.
»Lang her, Max.«
»Wochen?«
»Sicher. Wochen.«
»Monate?«
»Monate. Sechs Monate! Sieben! Bei
Taufe. Er war Pate. Wir geben Party. Aber keine Politik.«
Smileys Pausen hatten allmählich
eine peinliche Spannung hervorgerufen.
»Und seitdem nicht?« fragte er
schließlich.
»Nein.«
Smiley wandte sich an Stella, die
immer noch ihren Mann anstarrte.
»Wann ist William gestern
zurückgekommen?«
»Früh«, sagte sie.
»Schon um zehn Uhr früh?«
»Möglich. Ich war nicht hier. Ich
habe meine Mutter besucht.« »Wladimir ist gestern mit dem Taxi
hierhergefahren«, erklärte Smiley, immer noch an Stella gewandt. »Ich glaube,
er hat William gesehen.«
Niemand half dem jungen Mann, nicht
Smiley, nicht seine Frau. Sogar das Kind verhielt sich still.
»Auf dem Weg hierher hat er ein
Spielzeug gekauft. Das Taxi wartete eine Stunde lang unten an der Straße und
fuhr ihn dann wieder nach Paddington zurück, wo er wohnt«, sagte Smiley, immer
noch sorgfältig darauf bedacht, die Gegenwartsform zu wählen.
Willem hatte endlich seine Stimme
wiedergefunden. »Wladi ist von Beckie Pate!« protestierte er, wobei er wiederum
errötete, als sein Englisch ihn vollends im Stich zu lassen drohte. »Stella mag
ihn nicht, also muß er hier kommen wie Dieb, okay? Er bringt meiner Beckie
Spielzeug, okay? Ist schon Verbrechen, Max? Gibt Gesetz, daß alter Mann seinem
Patenkind nicht Spielzeug bringen darf?«
Wieder sprachen weder Smiley noch
Stella. Sie warteten beide auf den Zusammenbruch, der unweigerlich kommen
mußte.
»Wladi ist alter Mann, Max! Wer
weiß, wann er Beckie wiedersieht? Er ist Freund von Familie!«
»Nicht von dieser Familie«, sagte
Stella. »Nicht mehr.«
»Er war Freund von meinem Vater!
Kamerad! Haben in Paris zusammen gegen Bolschewismus gekämpft. Er bringt also
Beckie Spielzeug. Warum nicht, bitte? Warum nicht, Max?«
»Du hast gesagt, du hättest das
verdammte Ding selber gekauft«, sagte Stella. Sie legte eine Hand auf die Brust
und machte einen Knopf zu, als wolle sie ihn ausschließen.
Willem schwang sich zu Smiley
herum, rief ihn um Beistand an: »Stella mag alten Mann nicht, okay? Hat Angst,
ich mache mit ihm Politik, okay? Ich sag also Stella nichts. Sie besucht ihre
Mutter im Krankenhaus von Staines, und während sie weg ist, kommt Wladi auf
kleinen Besuch, um Beckie zu sehen, hallo zu sagen, warum nicht?« In seiner
Verzweiflung sprang er auf und warf die Arme übertrieben beteuernd in die Höhe.
»Stella!« rief er. »Hör zu! Wladi kommt also letzte Nacht nicht nach Hause?
Bitte, tut mir leid! Ist aber nicht meine Schuld, okay, Max? Dieser Wladi ist
alter Mann! Einsam. Hat sich vielleicht eine Frau gefunden. Okay? Kann nicht
viel mit ihr anfangen, ist aber froh um Gesellschaft. Dafür war er ganz schön
berühmt, glaube ich! Okay? Warum nicht?«
»Und vor gestern?« fragte
Smiley nach einer Ewigkeit. Da Willem nicht zu verstehen schien, baute Smiley
die Frage für ihn aus: »Sie haben Wladimir gestern gesehen. Er war mit dem Taxi
gekommen und hatte eine gelbe Holzente für Beckie gekauft. Auf Rädern.«
»Sicher.«
»Sehr schön. Aber vor gestern - ich
meine, abgesehen von gestern -, wann haben Sie ihn da das letzte Mal gesehen?«
Manche Fragen stellt man auf gut
Glück, manche aus Instinkt, wieder andere - wie diese hier - beruhen auf
Weitere Kostenlose Bücher