Carre, John le
war.
»Ich sag zu ihm: >Wladi, diese
kleine Gefälligkeit ist unmöglich für mich. Ich verspreche Stella: ist
unmöglich.<«
Stellas Hand hob sich von der ihres
Mannes, und die junge Frau saß da, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch,
ihn zu trösten, und ihrem Kummer über seinen Wortbruch.
Nur eine ganz kleine Gefälligkeit,
hatte Wladimir betont. Klein, keine Scherereien, kein Risiko, aber eine große
Hilfe für unsere Sache: außerdem Willems Pflicht. Dann brachte Wladimir
Schnappschüße zum Vorschein, die er bei Beckies Taufe aufgenommen hatte. Sie
waren in einem gelben Kodak-Umschlag, die Abzüge auf einer Seite, die Negative
in einer Zellophanschutzhülle auf der anderen, und das blaue Etikett des
Drogisten noch immer außen angeheftet, alles ganz und gar harmlos.
Eine Weile bewunderten sie die
Bilder, bis Wladimir plötzlich sagte: »Es ist für Beckie, Willem. Was wir tun,
tun wir für Beckies Zukunft.«
Während Willem diese Worte
Wladimirs wiederholte, ballte Stella die Fäuste, und als sie wieder aufsah,
wirkte sie entschlossen und sehr viel älter, mit Inseln von Fältchen um die
Augenwinkel.
Willem fuhr in seiner Geschichte
fort: »Dann sagt Wladimir zu mir: >Willem. Jeden Montag fährst du nach
Hannover und Hamburg, und kommst freitags zurück. Wie lange Zeit bleibst du in
Hamburg, bitte?<«
Worauf Willem geantwortet hatte, so
wenig, wie möglich, je nachdem, wie lange er zum Ausladen brauchte, je nachdem,
ob die Lieferung an den Kommissionär ging oder an den Empfänger, je nachdem,
zu welcher Tageszeit er ankam und wieviele Stunden er schon in seinem
Fahrtenbuch hatte. Es kamen noch mehr Fragen dieser Art - viele davon völlig
banal -, und Willem gab auch sie wieder: wo Willem unterwegs schlafe, wo er
esse -und Smiley wußte, daß der alte Mann auf ziemlich monströse Art genau das
tat, was auch er selber getan hätte; er redete Willem in eine Ecke, veranlaßte
ihn zu antworten, als Vorspiel zu seinem Nachgeben. Und jetzt erst erklärte
Wladimir unter Aufgebot aller seiner militärischen und familiären Autorität,
was Willem tun sollte.
»Er sagt zu mir: >Willem, nimm
diese Orangen für mich nach Hamburg mit. Nimm diesen Korb.< >Wozu?<
frag ich ihn. >General, warum soll ich diesen Korb nehmen?< Da gibt er
mir Geld, fünfzig Pfund. >Für Notfalles sagt er zu mir. >Im Notfall sind
hier fünfzig Pfund.< >Aber wozu denn der Korb?< frag ich ihn. >Was
für ein Notfall ist denn vorgesehen, General?<«
Dann rezitierte Wladimir die
Instruktionen für Willem, sie schlössen Ausweichmöglichkeiten und alle
erdenklichen Eventualitäten mit ein - sogar eine zusätzliche Übernachtung mit
Hilfe der fünfzig Pfund -, und Smiley stellte fest, daß der General auch hier,
genau wie bei Mostyn, strikt auf Moskauer Regeln bestanden und, wie alle
seinesgleichen, des Guten zuviel getan hatte - je älter er wurde, desto mehr
verstrickte sich der alte Knabe in das Netz seiner eigenen Verschwörungen.
Willem sollte den gelben Kodak-Umschlag mit Beckies Fotos oben auf die Orangen
legen, nach vorn zum Schiffsbug schlendern - was Willem dann alles tatsächlich
getan hatte, sagte er-, und der Umschlag war der Briefkasten, und das Zeichen
dafür, daß er aufgefüllt worden war, würde eine gelbe Kreidemarke sein, »so
gelb, wie der Umschlag, was eine Tradition unserer Gruppe ist«, sagte Willem.
»Und das Sicherheitssignal?« fragte
Smiley. »Das Signal, das besagt: >Ich werde nicht verfolgt«
»War Hamburger Zeitung von
gestern«, antwortete Willem prompt - indessen habe es, wie er gestand, über
diesen Punkt eine kleine Auseinandersetzung gegeben, trotz des Respekts, den er
Wladimir als Führer, als General und als Freund seines Vaters schuldete -
»Er spricht zu mir, > Willem, du
steckst diese Zeitung in deine Tasche.< Aber ich sag ihm: >Wladi, bitte
schauen Sie mich an, ich hab nur Trainingsanzug, keine Taschen.< Also sagt
er, >Willem, dann trägst du die Zeitung unterm Arm.<«
»Bill«, sagte Stella und atmete
tief durch, wie nach einem Schock. »Bill, du hirnverbrannter Narr.« Sie wandte
sich an Smiley. »Ich meine, warum hat er es, was immer es auch war, nicht mit
der Scheißpost geschickt und damit basta?«
Weil es ein Negativ war. Und nach
Moskauer Regeln sind ausschließlich Negative beweiskräftig. Weil der General
in der beständigen Furcht vor Verrat lebte, dachte Smiley. Er witterte ihn in
allem und jedem. Und wenn der Tod Beweiskraft besitzt, dann hatte er Recht
gehabt.
»Und es hat
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