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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Estland im Jahre
1940 besetzt. Wenn Mikhel damals Kavallerieoffizier gewesen war, dann müßte er
heute gut und gern sechzig sein. Er versuchte den Rest von Mikhels turbulenter
Biographie zusammenzubringen - der lange Weg durch fremde Kriege und mit
Mißtrauen verfolgte ethnische Brigaden, alle die Kapitel der Geschichte, an
denen dieser kleine Körper teilgehabt hatte. Er fragte sich, wie alt seine
Stiefel sein mochten.
    »Erzählen Sie mir von seinen letzten
Tagen, Mikhel«, regte Smiley an. »War er aktiv bis zum Ende?«
    »Völlig aktiv, Max, aktiv in jeder
Beziehung. Als Patriot. Als Mann. Als Führer.«
    Mit dem gleichen verächtlichen
Ausdruck, den sie vorher gezeigt hatte, stellte Elvira den Tee vor sie hin,
zwei Tassen mit Zitrone, und kleine Marzipanplätzchen. Sie bewegte sich
aufreizend, mit schwingenden Hüften und einer mürrischen Andeutung von
Herausforderung. Smiley versuchte, sich ihren Background ins Gedächtnis zu
rufen, bekam ihn aber nicht zu fassen, vielleicht weil er ihn nie gekannt
hatte. Er war für sie wie ein Bruder, dachte er. Er instruierte sie. Doch
irgendetwas aus seinem eigenen Leben mahnte ihn schon seit langem, Erklärungen
zu mißtrauen, besonders wenn Liebe mit im Spiel war.
    »Und als Mitglied der Gruppe?«
fragte Smiley, als sie wieder weggegangen war. »Ebenfalls aktiv?«
    »Immer«, sagte Mikhel ernst.
    Eine kleine Pause trat ein, als
jeder höflich wartete, daß der andere fortfahren möge.
    »Wer, glauben Sie, hat es getan,
Mikhel? Ist er verraten worden?«
    »Max, Sie wissen so gut wie ich,
wer es getan hat. Wir sind alle bedroht. Ausnahmslos. Wir können jederzeit
abgerufen werden. Wichtig ist nur, daß man darauf vorbereitet ist. Ich für
meine Person bin Soldat, ich bin vorbereitet, ich bin bereit. Wenn ich
heimgehe, hat Elvira ihre Sicherheit. Das ist alles. Für die Bolschewisten
bleiben wir Exilrussen der Feind Nummer eins. Die Verfluchten. Wo sie können,
zerstören sie uns. Immer noch. Wie sie einst unsere Kirchen und unsere Dörfer
und unsere Schulen und unsere Kultur zerstört haben. Und sie haben recht, Max.
Sie haben recht, wenn sie uns fürchten. Denn eines Tages werden wir es ihnen
heimzahlen.«
    »Aber warum haben sie gerade diesen
Augenblick gewählt«, warf Smiley nach dieser etwas rituellen Verlautbarung
sanft ein. »Sie hätten Wladimir schon vor Jahren töten können.«
    Mikhel hatte eine flache
Blechschachtel mit zwei kleinen wäschemangelartigen Rollen obenauf und ein
Packet grobes, gelbes Zigarettenpapier zum Vorschein gebracht. Er leckte über
ein Blättchen, legte es auf die Rollen und schüttete schwarzen Tabak darauf.
Ein Schnappen, die Mangel drehte sich, und eine dicke, lose gestopfte Zigarette
erschien auf der versilberten Oberfläche. Er wollte sie gerade in den Mund
stecken, als Elvira kam und sie ihm wegschnappte. Er rollte sich eine andere
und steckte die Schachtel wieder in die Tasche.
    »Es sei denn, Wladimir führte etwas
im Schilde«, fuhr Smiley nach dieser Drehpause fort. »Provozierte sie auf
irgendeine Art -wozu er durchaus imstande war, wie wir wissen.«
    »Wer kann das sagen?« fragte Mikhel
und blies den Rauch sorgfältig nach oben in die Luft.
    »Nun, wenn irgendjemand, dann Sie . Ihnen hat er sich doch sicher anvertraut. Sie waren seit über zwanzig
Jahren seine rechte Hand. Zuerst in Paris und dann hier. Sagen Sie nur nicht,
daß er Ihnen nicht vertraute«, sagte Smiley in gespielter Naivität.
    »Unser Führer war ein
verschwiegener Mann, Max. Das war seine Stärke. Er mußte es zwangsläufig sein.
Aus militärischen Gründen.«
    »Doch sicher nicht Ihnen gegenüber?«
beharrte Smiley in seinem einschmeichelndsten Ton. »Sein Pariser Adjutant.
Sein Aide-de-camp. Sein Privatsekretär. Nicht doch, Sie tun sich selber
unrecht.«
    Mikhel beugte sich auf seinem Thron
nach vorne und legte eine kleine Hand genau aufs Herz. Seine dunkle Stimme
wurde noch tiefer.
    »Max. Selbst mir gegenüber. Am
Ende, selbst Mikhel gegenüber. Zu meinem Schutz. Um mir gefährliches Wissen zu
ersparen. Er hat sogar zu mir gesagt: >Mikhel, es ist besser, daß Sie
-selbst Sie - nicht wissen, was die Vergangenheit hochgespült hat.< Ich
flehte ihn an. Vergebens. Eines Abends besuchte er mich. Hier. Ich schlief
oben. Er hat das geheime Klingelzeichen gegeben: >Mikhel, ich brauche
fünfzig Pfund.<«
    Elvira kam zurück, diesmal mit
einem leeren Aschenbecher. Als sie ihn auf den Tisch stellte, fühlte Smiley
eine Spannung hochsteigen, wie das plötzliche

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