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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Wirken eines Medikaments. Er
hatte diese Empfindung manchmal beim Fahren, wenn er auf einen Zusammenstoß
wartete, der nicht kam. Er hatte sie, wenn er Ann bei ihrer Rückkehr von einer
angeblich harmlosen Verabredung beobachtete und wußte, ganz einfach wußte, daß
von Harmlosigkeit keine Rede sein konnte.
    »Wann war das?« fragte Smiley, als
sie wieder weggegangen war. »Vor zwölf Tagen. Letzten Montag vor einer Woche.
An seinem Verhalten hab ich sofort gemerkt, daß es sich um nichts Privates
handelte. Er hatte mich nie vorher um Geld gebeten. >General<, sage ich
zu ihm. >Sie machen eine Verschwörung. Sagen Sie mir, worum es geht.<
Aber er schüttelt den Kopf. >Hören Sie<, sag ich zu ihm, >wenn es eine
Verschwörung ist, dann folgen Sie meinem Rat und gehen Sie zu Max.< Er
lehnte ab: >Max ist ein ausgezeichneter Mann, aber er hat kein Vertrauen
mehr zu unserer Gruppe. Er möchte sogar, daß wir den Kampf einstellen. Doch
sobald ich den erhofften, großen Fisch gelandet habe, geh' ich zu Max und
verlange unsere Spesen und vielleicht noch viele andere Dinge dazu. Aber das tu
ich nachher, nicht vorher. Bis dahin kann ich diese Sache nicht in einem
schmutzigen Hemd erledigen. Bitte, Mikhel. Leihen Sie mir fünfzig Pfund. Das
ist die wichtigste Aufgabe meines ganzen Lebens. Sie reicht weit in unsere Vergangenheit
zurück.< Das hat er gesagt. Wort für Wort. In meiner Brieftasche sind
fünfzig Pfund - glücklicherweise hatte ich an diesem Tag eine erfolgreiche
Investition getätigt -, ich gebe sie ihm. >General<, sage ich. >Nehmen
Sie alles, was ich habe. Was mir gehört, gehört auch Ihnen. Bitte<«, sagte
Mikhel, und um diese Geste zu unterstreichen oder um sie zu beglaubigen, zog er
heftig an seiner gelben Zigarette.
    In dem verschmierten Fenster über
ihnen sah Smiley das Spiegelbild Elviras, die in der Mitte des Raums stand und
ihrem Gespräch zuhörte. Auch Mikhel hatte sie bemerkt und ihr sogar einen
unwirschen Blick zugeworfen; aber er wollte oder konnte sie nicht wegscheuchen.
    »Das war sehr gütig von Ihnen«,
sagte Smiley nach einer angemessenen Pause.
    »Max, es war meine Pflicht. Eine
Herzenspflicht. Ich kenne kein anderes Gesetz.«
    Sie verachtet mich, weil ich dem
alten Mann nicht geholfen habe. Sie war mit von der Partie, sie hat Bescheid
gewußt, und nun verachtet sie mich, weil ich ihm in der Stunde seiner Not
nicht geholfen habe. Er war für sie wie ein Bruder, erinnerte er sich. Er
instruierte sie.
    »Und dieses Ansinnen an Sie - diese
Bitte um Betriebsmittel -« sagte Smiley. »Kam das aus heiterem Himmel? War
vorher nichts gewesen, woraus Sie hätten schließen können, daß er einen großen
Coup vorhatte?«
    Wieder runzelte Mikhel die Stirne,
ließ sich Zeit, und es war klar, daß er von Fragen nicht viel hielt.
    »Vor ein paar Monaten, zwei
vielleicht, hat er einen Brief bekommen«, sagte er vorsichtig. »Hierher
adressiert.«
    »Hat er denn so wenige gekriegt?«
    »Dieser Brief war etwas
Besonderes«, sagte Mikhel, in dem gleichen, vorsichtigen Ton, und Smiley wurde
plötzlich klar, daß Mikhel, wie es die Sarratt Inquisitoren nannten, in der
Verliererecke saß, denn er hatte keine Ahnung - er konnte nur raten -, wieviel
oder wie wenig Smiley bereits wußte. Daher würde Mikhel mit seiner Information
haushälterisch umgehen, in der Hoffnung, Smiley dabei in die Karten sehen zu
können.
    »Von wem war er?«
    Mikhel antwortete, wie so oft, ganz
leicht daneben.
    »Er war aus Paris, Max, ein langer
Brief, viele Seiten, handgeschrieben. An den General persönlich adressiert,
nicht an Miller. An General Wladimir, streng persönlich. Auf dem Umschlag stand
geschrieben: >streng persönlich<, auf französisch. Ich sperr den Brief in
meinen Schreibtisch, und um elf Uhr kommt er wie immer daher: >Mikhel, ich
grüße Sie.< Manchmal, glauben Sie mir, salutierten wir sogar voreinander.
Ich geb ihm den Brief, er setzt sich« - er deutete in Elviras Richtung -, »er
setzt sich da hinten hin, öffnet ihn ganz lässig, als erwarte er sich nichts davon,
und ich sehe, wie der Brief ihn zunehmend beschäftigt. Gefangen nimmt. Ich
möchte sagen, fasziniert. Ja, sogar aufwühlt. Ich spreche ihn an. Er antwortet
nicht. Ich versuche es nochmals. - Sie kennen ja seine Art - er ignoriert mich
völlig. Er geht weg auf einen Spaziergang. >Ich komme wieder<, sagt er.«
    »Und nahm den Brief mit?«
    »Natürlich. Wenn er ein großes
Problem im Kopf wälzte, dann machte er immer einen Spaziergang. Wie er
wiederkommt,

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