Carre, John le
in
unserer Branche müssen wir viele Arten und Abarten von Menschen verwenden. Ich
gebe nur die Meinung des Generals wieder. Unser Führer war ein alter Mann.
>Hector<, sagt Wladimir zu mir, >Hector taugt nichts. Unser guter
Postbote Hector ist wie die City-Banken. Wenn es regnet, heißt es, nehmen einem
die Banken den Schirm weg. Unser Postbote Hector ist wie sie.< Bitte. Das
sagt Wladimir. Nicht Mikhel. >Hector taugt nichts.<«
»Wann hat er das gesagt?«
»Er sagte es mehrmals.«
»Kürzlich?«
»Ja.«
»Wie kürzlich?«
»Kann zwei Monate her sein.
Vielleicht weniger.«
»Nachdem er den Brief aus Paris
erhielt oder vorher?«
»Nachher. Ganz fraglos.«
Mikhel begleitete ihn zur Tür, ganz
der Gentleman, der Toby Esterhase nicht war. Elvira saß rauchend an ihrem Platz
neben dem Samowar und betrachtete dasselbe Bild mit den Birken. Als sie an ihr
vorbeigingen, hörte Smiley eine Art Zischen, das aus dem Mund oder aus der Nase
oder aus beidem kam, als eine letzte Bekundung ihrer Verachtung.
»Was werden Sie nun tun?« fragte
Mikhel, als richte er sich an die trauernden Hinterbliebenen. Aus dem
Augenwinkel heraus sah Smiley, wie ihr Kopf sich hob und ihre Finger sich über
die Seite spreizten. Eine letzte Idee kam ihm: »Und die Handschrift haben Sie
nicht erkannt?« fragte er.
»Welche Handschrift meinen Sie,
Max?«
»Die auf dem Umschlag aus Paris.«
Plötzlich hatte er keine Zeit mehr,
um auf die Anwort zu warten, plötzlich war er die dauernden Ausflüchte leid.
»Good bye, Mikhel.«
»Leben Sie wohl, Max.«
Elviras Kopf neigte sich wieder
über die Birken.
Ich werde es nie erfahren, dachte
Smiley, als er schnell die Holztreppe hinunterging. Niemand von uns wird es
erfahren. War er Mikhel, der Verräter, der dem alten Mann verübelte, daß er mit
ihm seine Frau teilen mußte und der nach der Krone dürstete, die man ihm zu
lange vorenthielt? Oder war er Mikhel, der selbstlose Offizier und Gentleman,
Mikhel, der ewig treue Diener? Oder war er vielleicht, wie viele treue Diener,
beides?
Er dachte an Mikhels
Kavalleristenstolz, der so schrecklich verletzbar war wie jede andere
Mannestugend eines Helden. An seinen Stolz, der Hüter des Generals zu sein,
den Stolz, sein Statthalter zu sein. Das schmachvolle Gefühl, ausgeschlossen
zu werden. Dann wieder sein Stolz - in wieviele Wege er sich verästelte! Doch
wie weit reichte er? Bis zum Stolz, jedem Herrn nobel aufzuwarten, zum
Beispiel?
Ich habe beide Herren gut
bedient, sagt der perfekte Doppelagent im
Zwielicht seines Lebens. Und sagt es zudem mit Stolz, dachte Smiley, der
etliche von ihnen gekannt hatte.
Er dachte an den
siebenseitigen Brief aus Paris. Er dachte an zweite Beweise. Er fragte sich,
bei wem die Fotokopie wohl gelandet war - vielleicht bei Esterhase? Er fragte
sich, wo das Original sein mochte. Wer ist wohl nach Paris gegangen, fragte er
sich. Wenn Willem nach Hamburg ging, wer war dann der kleine Magier? Er war
hundemüde. Seine Müdigkeit setzte ihm zu wie ein Virus. Er fühlte sie in den
Knien, in den Hüften, in seinem ganzen erlahmenden Körper. Doch er marschierte
weiter, denn sein Geist verweigerte die Rast. Und überdies war der Augenblick
gekommen, wo er nicht mehr eskortiert werden wollte, weder von Freund noch von
Feind.
11
Gehen konnte die Ostrakowa gerade
noch, und gehen war das einzige, was sie wollte. Gehen und auf den Magier
warten. Nichts war gebrochen. Wenn auch ihr kleiner stämmiger Körper, nachdem
man sie gebadet hatte, schwarzfleckig wurde wie eine Karte von den sibirischen
Kohlefeldern, so war doch nichts gebrochen. Und ihr armes Kreuz, das ihr im
Lagerhaus immer ein bißchen zu schaffen gemacht hatte, sah bereits so aus, als
hätten die vereinten Geheimarmeen Sowjetrußlands sie mit Fußtritten quer
durch Paris gejagt: Doch gebrochen war nichts. Sie hatten jeden einzelnen Teil
von ihr durchleuchtet, sie wie Fleisch zweifelhafter Qualität nach inneren
Blutungen abgetastet. Nur um ihr schließlich düster zu erklären, daß sie das
Opfer eines Wunders sei.
Sie hatten sie trotzdem behalten
wollen. Zur Behandlung ihres Schocks, zur Verabreichung von Beruhigungsmitteln
- wenigstens für eine Nacht! Die Polizei, die sechs Zeugen ermittelt hatte,
mit sieben einander widersprechenden Aussagen (War der Wagen grau oder blau?
ein Marseiller oder ein ausländisches Nummernschild?), die Polizei hatte sie
lange vernommen und gedroht, zwecks weiterer Einvernahme zurückzukommen. Doch
die
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