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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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ist
Jimmys Bericht. Es ist auch für hohe Ansprüche eine erstklassige Arbeit.« Die
Zigarette sah zwischen seinen Fingern besonders lang aus. Ohne Zusammenhang
fügte er hinzu: »Der Name des Verräters war Pritsche.«
    »Verräter?«
warf Haldane schnell ein. »Der Mann ist ein kleiner Flüchtling, ein
Eisenbahner. Gewöhnlich sagen wir von derartigen Leuten nicht, daß sie Verrat begehen.«
    »Der Mann
ist nicht nur Eisenbahner«, sagte Leclerc rechtfertigend, »sondern versteht
auch etwas von Maschinen und Fotografie.«
    McCulloch
schlug die Akte auf und begann methodisch, die einzelnen Blätter umzuwenden.
Sandford sah ihm durch seine goldgefaßte Brille dabei zu. »Am 1. oder 2.
September - wir wissen das nicht genau, weil sich der Mann nicht mehr daran
erinnern kann - machte er zufällig Doppelschicht in den Lagerschuppen von
Kalkstadt. Einer seiner Kollegen war krank. Er hatte von sechs Uhr morgens bis
zwölf Uhr mittags zu arbeiten, und dann von vier Uhr nachmittags bis zehn Uhr
abends. Als er zur Arbeit kam, waren am Bahnhofseingang ein Dutzend Vopos. Es
gab keinen Personenverkehr. Man prüfte seine Papiere anhand einer Liste und
befahl ihm, sich von den Lagerschuppen am östlichen Ende des Bahnhofes fernzuhalten.«
Leclerc setzte bedachtsam hinzu: »Man sagte ihm, er riskiere - falls er den
Schuppen nahe käme -, erschossen zu werden.« Das machte Eindruck. Woodford
sagte, so etwas sei für die Deutschen typisch.
    »Es sind
die Russen, gegen die wir kämpfen«, warf Haldane ein.
    »Er ist
ein komischer Vogel. Anscheinend hat er mit ihnen gestritten. Er sagte ihnen,
daß er mindestens so zuverlässig sei wie sie selbst, ein guter Deutscher und
Parteimitglied. Er zeigte ihnen seinen Eisenbahnerausweis, Bilder von seiner
Frau und Gott weiß was noch. Es half natürlich nichts, weil sie ihm nur befahlen,
die Anweisungen zu befolgen und von den Schuppen wegzubleiben. Irgendwie
scheint er ihnen aber gefallen zu haben, denn als sie sich um zehn Uhr eine
Suppe machten, riefen sie ihn herüber und boten ihm eine Tasse voll an. Bei der
Suppe fragte er sie, was eigentlich los sei. Sie waren zugeknöpft, aber er
konnte spüren, daß sie aufgeregt waren. Dann passierte etwas.« Leclerc fuhr
fort: »Etwas sehr Wichtiges. Einer von den Jüngeren platzte heraus, was auch
immer in dem Schuppen sei, sie könnten damit die Amerikaner innerhalb von
Stunden aus Westdeutschland hinausjagen. Im selben Augenblick kam ein Offizier
und schickte ihn an seine Arbeit zurück.« Haldane ließ ein tiefes,
hoffnungsloses Husten hören, das wie ein Echo in einem uralten Gewölbe klang.
Was für ein Offizier, fragte jemand, deutsch oder russisch?
    »Deutsch.
Das ist das Interessante daran. Russen waren überhaupt keine dort.«
    »Der
Flüchtling hat keine gesehen«, unterbrach Haldane scharf. »Das ist alles, was wir
wissen. Wir wollen doch genau bleiben.« Wieder hustete er. Es war sehr störend.
    »Wie du
willst. - Er ging nach Hause und aß zu Mittag. Er war ziemlich ärgerlich, daß
er in seinem eigenen Bahnhof von ein paar jungen Kerlen, die gerade Soldaten
spielten, herumkommandiert wurde. Er trank ein paar Gläser Schnaps und grübelte
über die Lagerschuppen nach. - Adrian, falls dir dein Husten zu schaffen
macht.?« Haldane schüttelte den Kopf. »Dann fiel ihm ein, daß der Schuppen an
seiner Nordseite an eine alte Hütte stieß und daß in der Trennwand ein
Ventilator eingelassen war. Er bekam Lust, einmal durch diesen Ventilator in
den Schuppen zu schauen. Um sich sozusagen an den Vopos zu rächen.«
    Woodford
lachte.
    »Dann
beschloß er, noch weiter zu gehen. Er würde durch den Ventilator fotografieren,
was immer in dem Schuppen versteckt sein mochte.«
    »Er muß
verrückt gewesen sein«, bemerkte Haldane. »Ich kann das nicht verstehen.«
    »Verrückt
oder nicht: das hatte er jedenfalls vor. Er war zornig, weil sie ihm nicht vertrauen
wollten. Er fand, daß er ein Recht darauf hatte, zu wissen, was in dem Schuppen
war. Er hatte eine Exa-Zwei, eine Spiegel-Reflex-Kamera mit einer Linse, ein
ostdeutsches Produkt. Es hat ein billiges Gehäuse, kann aber mit allen
Zusatzobjektiven der Exakta verwendet werden. Natürlich hat es viel weniger
Belichtungszeiten als die Exakta.« Er blickte fragend zu den Technikern
Dennison und McCulloch. »Hab ich recht, meine Herren? - Sie müssen mich
korrigieren.« Sie grinsten dümmlich, denn da war nichts zu korrigieren. »Er
hatte ein gutes Weitwinkelobjektiv. Die Schwierigkeit war nur das

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