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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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nicht mehr
verlassen.« Er lieferte noch weitere nichtige Beispiele, und alle wurden
schläfrig und warteten auf den letzten Gang: »Wir verfahren jedesmal in genau der gleichen Weise. Sobald sie erwischt werden, auf
der Stelle, werden die Schuldigen öffentlich bloßgestellt, Pressofotos? So
viele Sie wollen, Gentlemen. Fernsehen? Kamera läuft. Ergebnis? Peking klopft
uns freundschaftlich auf den Rücken, weil wir sowjetische Expansionisten
abwehren.« In seiner maßlosen Übererregtheit hatte er den Nerv, sich direkt an
Smiley zu wenden. »Sie sehen also, was Ihre illegalen Netze betrifft, so ziehen
wir sie offen gestanden stark in Zweifel. Legal, illegal, ober- oder unterirdisch.
Unsere Ansicht lautet, der Circus drückt hier ein bißchen auf die Tube, um
wieder ins Spiel zu kommen!« Guillam öffnete bereits den Mund zu einem
entsprechenden Rüffel, als er eine warnende Berührung am Ellbogen spürte, und
schloß ihn wieder.
    Es folgte
ein langes Schweigen, während dessen Wilbraham noch verlegener aussah als alle
anderen.
    »Klingt
mir eher nach blauem Dunst, Chris«, sagte Enderby nüchtern.
    »Was soll
das heißen?« fragte Wilbraham nervös.
    »Antworte
nur auf das Argument, das Ihr Prachtjunge für Sie vorgebracht hat, Chris.
Blauer Dunst. Täuschung. Die Russen rasseln mit dem Säbel, dort, wo ihr sie
sehen könnt, und während ihr alle brav dorthin schaut, machen sie in aller Ruhe
ihre dreckige Arbeit auf der anderen Seite der Insel. Siehe Bruder Ko.
Stimmt's, George?«
    »Nun,
dieser Ansicht sind wir, ja«, räumte Smiley ein. »Und ich sollte Sie wohl daran
erinnern - es steht übrigens in der Eingabe -, daß Haydon seinerzeit immer
besonders eifrig betonte, die Russen hätten in Hongkong nichts laufen.«
    »Lunch«
verkündete Martindale ohne viel Optimismus. Sie aßen droben, ein freudloses
Mahl, das per Lieferwagen in Menagetellern aus Plastik gekommen war. Die
einzelnen Vertiefungen waren zu flach, und Guillams Eiercreme schwappte in das
Fleischgericht.
    Also
gestärkt nutzte Smiley die allgemeine nachmittägliche Trägheit, um das ins
Spiel zu bringen, was Lacon als den Panik-Faktor bezeichnet hatte. Genauer
gesagt, er versuchte, der Versammlung das Gefühl einzuflößen, daß eine
sowjetische Präsenz in Hongkong eigentlich nur logisch sei, auch falls, wie er
es formulierte, Ko nicht das Beispiel dafür lieferte: Hongkong als der größte
Hafen Festland-Chinas, über den vierzig Prozent seines Außenhandels abgewickelt
werden. Wie schätzungsweise jeder fünfte Einwohner Hongkongs alljährlich legal
in China ein- und ausreise, wobei die Mehrfach-Reisen diesen Durchschnitt
zweifellos noch anhöben. Wie China in Hongkong, sub rosa, aber mit voller Billigung der Behörden, Teams erstklassiger
Unterhändler, Wirtschaftler und Techniker unterhalte, die über Pekings
Interessen in Handel, Verkehr und Entwicklung wachten, und wie jeder einzelne
dieser Männer ein natürliches Ziel für Geheimdienste zwecks »Verleitung oder
anderer Formen einer geheimen Überredung«, wie er sich ausdrückte, darstelle.
    Wie
Hongkongs Fischerei- und Dschunkenflotte sich eines doppelten Heimatrechts
erfreute, in Hongkong und entlang der chinesischen Küste, und ungehindert in
chinesischen Gewässern ein- und auslaufe -.
    Enderby
unterbrach ihn mit einer hilfreichen Frage:
    »Und Ko
besitzt eine eigene Dschunkenflotte. Sagten Sie nicht, er sei einer der letzten
Wackeren der Gilde?«
    »Ja, ja,
das stimmt.«
    »Aber er
sucht das Festland nicht persönlich auf?«
    »Nein,
nie. Das tut sein Assistent, aber nach unseren Ermittlungen Ko selbst niemals.«
    »Assistent?«
    »Er hat
einen Freund und Manager namens Tiu. Die beiden sind schon seit zwanzig Jahren
beisammen. Länger. Sie kommen aus dem gleichen Stall: Hakka, Schanghai und so
weiter. Tiu ist in mehreren Firmen sein Strohmann.«
    »Und Tiu
sucht regelmäßig das Festland auf?«
    »Mindest
einmal im Jahr.«
    »Größere
Reisen?«
    »Kanton,
Peking und Schanghai sind aktenkundig. Aber die Akte ist nicht notwendigerweise
vollständig.«
    »Aber Ko
bleibt zu Hause. Komisch.«
    Da keine
weiteren Fragen oder Kommentare hierzu kamen, fuhr Smiley in seiner Anpreisung
der Reize Hongkongs als Spionagebasis fort. Hongkong sei einmalig, stellte er
schlicht fest. Kein anderer Ort der Welt biete auch nur ein Zehntel der
Voraussetzungen für ein Fußfassen in China.
    » Voraussetzungen!« echote Wilbraham. »Versuchungen
sollten Sie sagen.«
    Smiley
zuckte die Achseln. »Versuchungen,

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