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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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wird's schon noch dazu bringen, nehme ich an. Wird sich
hinaufarbeiten, wie wir alle.«
    Enderby
hatte zufällig schon seinen Ritterschlag, während Wilbraham, wegen der
zunehmenden Knappheit an Kolonien, in den unteren Rängen steckengeblieben war.
    »Es liegt
kein konkreter Fall vor«, sagte Wilbraham standhaft und legte eine behaarte
Hand flach auf den farbenfrohen Hefter vor ihm.
    Es folgte
eine allgemeine Aussprache, für Guillams Ohr ein Intermezzo, bei dem in stillschweigender
Übereinkunft auch die minderen Stimmen gelegentlich mit belanglosen Fragen
einfallen durften, um im Sitzungsprotokoll Erwähnung zu finden. Der Waliser
Hammer wünschte hier und jetzt festgestellt
zu wissen, was mit der halben Million Dollar aus dem Reptilienfonds der Moskauer
Zentrale geschehen würde, wenn sie zum Beispiel in britische Hände fiele. Es
könne nicht in Frage kommen, daß sie einfach durch den Circus wieder in Umlauf
gesetzt würde, warnte er. Die Alleinrechte müßten beim Schatzamt liegen. Ob das
klar sei?
    Es sei
klar, sagte Smiley.
    Guillam
erkannte, daß sich eine Spaltung anbahnte. Zwischen denen, die, wenn auch
widerstrebend, akzeptierten, daß die Untersuchung ein fait accompli war, und denen, die ihr Nachhutgefecht
gegen deren Abhaltung weiterführten. Hammer schien sich, wie Guillam überrascht
feststellte, mit einer Untersuchung abgefunden zu haben.
    Eine lange
Reihe von Fragen über »legale« und »illegale« Residenturen war zwar ermüdend,
diente indes dazu, die Furcht vor einer Roten Gefahr zu verankern. Luff, der
Parlamentarier, verlangte, man solle ihm den Unterschied genau erklären. Smiley
tat es geduldig. Ein »legaler« oder »oberirdischer« Resident, sagte er, sei ein
Geheimdienstbeamter, der unter offiziellem oder halboffiziellem Schutz in dem
betreffenden Land lebe. Da es das Gouvernement in Hongkong mit Rücksicht auf
Pekings Animosität gegenüber Rußland für gut befunden habe, jede Art sowjetischer
Repräsentation aus der Kolonie zu verbannen - Botschaft, Konsulat, TASS, Radio
Moskau, Novosti, Aeroflot, Intourist und sämtliche sonstigen dienlichen
Flaggen, unter denen die »Legalen« traditionsgemäß zu segeln pflegten -, sei
es unvermeidlich, daß jede sowjetische Aktivität in der Kolonie durch einen
illegalen oder unterirdischen Apparat erfolgen müsse. Eben diese Voraussetzung
habe die Recherchen des Circus in jene Richtung gelenkt, die dazu führte, daß
die Ersatz-Route für das Geld entdeckt wurde, sagte er, und vermied den
Fachausdruck »Goldader«.
    »Aha, dann
haben wir also die Russen dazu gezwungen«, sagte Luff voll Genugtuung. »Wir
haben es nur uns selbst zu verdanken. Wir schikanieren die Russen, sie beißen
zurück. Wen kann das überraschen? Wir baden hier die Fehler der letzten Regierung aus, nicht unserer jetzigen. Wer die
Russen reizt, bekommt, was er verdient. Klar. Wir ernten wieder einmal den
Sturm, wie üblich.«
    »Was
hatten die Russen vordem in
Hongkong gehabt?« fragte ein cleverer Jüngling aus dem Home Office. Mit einem
Schlag kam Leben in die Kolonialisten. Wilbraham begann, fieberhaft eine Akte
zu durchblättern, aber als er sah, wie sein rothaariger Assistent an der Leine
zerrte, brummte er: »Sie übernehmen das, John, ja? Gut«, lehnte sich zurück und
blickte grimmig drein. Die braune Dame lächelte wehmütig auf die
Tischbespannung, als gedächte sie der Zeiten, da der grüne Filz noch heil war.
Also unternahm der Primaner seinen zweiten unseligen Ausbruchsversuch:
    »Es gibt
hierfür unseres Erachtens in der Tat höchst lichtvolle Exempel«, begann er
aggressiv. »Die früheren Versuche der Moskauer Zentrale, in der Kolonie Fuß zu
fassen, waren sämtlich ohne Ausnahme fruchtlos und unergiebig.« Er leierte eine
Anzahl langweiliger Beispiele herunter.
    Vor fünf
Jahren, sagte er, sei ein falscher russisch-orthodoxer Archimandrit aus Paris
eingeflogen worden, der Verbindung mit der weißrussischen Gemeinde aufnehmen
sollte: »Dieser Herr versuchte, einen älteren Restaurantbesitzer in die Dienste
der Moskauer Zentrale zu nötigen und wurde prompt festgenommen. In jüngerer
Zeit kam es vor, daß Besatzungsmitglieder russischer Frachter, die Hongkong zu
Reparaturzwecken anliefen, dort an Land gingen. Sie unternahmen plumpe Versuche,
Hafenarbeiter und Docker, die sie für linksgerichtet hielten, zu bestechen. Sie
wurden arretiert, verhört, in der Presse lächerlich gemacht und durften, wie
nur recht und billig, das Schiff für den Rest der Liegezeit

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