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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Verfahren lag -, nahm er das Streichholz heraus und betrachtete das
angesabberte Ende.
    »Was zum
Teufel soll dieser ganze Schiet über Daumenabdrücke, George?« fragte er, vielleicht in dem Bestreben, Wilbrahams Erfolg zu
schmälern. »Klingt wie aus Phillips Oppenheim.« Belgravia Cockney, dachte Guillam: das letzte Stadium
sprachlichen Niedergangs.
    Smileys
Antwort klang ungefähr so leidenschaftlich wie die Zeitansage:
    »Der
Gebrauch von Daumenabdrücken ist bei den Banken an der chinesischen Küste eine
altehrwürdige Praxis. Sie stammt aus den Tagen des weit verbreiteten
Analphabetentums. Viele Überseechinesen bedienen sich lieber britischer Banken
als ihrer eigenen, und die Struktur dieses Kontos ist keineswegs ungewöhnlich.
Der Verfügungsberechtigte weist sich durch visuelle Mittel aus, zum Beispiel
durch die Hälfte einer durchgerissenen Banknote, oder in diesem Fall durch den
Abdruck seines Daumens, des linken, da angenommen wird, er sei weniger durch
schwere Arbeit abgenutzt als der rechte. Die Bank wird kaum mit der Wimper
zucken, vorausgesetzt, daß der Eröffner des Treuhandkontos sie von jeder
Verantwortung im Fall einer irrtümlichen oder widerrechtlichen Auszahlung
entbunden hat.«
    »Vielen
Dank«, sagte Enderby, und das Streichholz verschwand wieder zwischen seinen
Zähnen. »Könnte zum Beispiel auch Kos eigener Daumenabdruck
sein«, gab er zu bedenken. »Gibt nichts, was ihn hindern könnte, oder? Dann würde es eindeutig sein Geld sein. Wenn er Treuhänder und
Verfügungsberechtigter in einer Person ist, dann ist es natürlich sein eigenes verdammtes Geld.« Für Guillam hatte
die Diskussion bereits eine lächerlich falsche Wendung genommen.
    »Das ist
bloße Annahme«, sagte Wilbraham nach dem üblichen zweiminütigen Schweigen.
»Angenommen, Ko tut einem alten Freund einen Gefallen. Nur mal angenommen. Und
dieser alte Freund hat eine krumme Tour gedreht oder macht von Zeit zu Zeit
Geschäfte mit den Russen. Eure Chinesen lieben Verschwörungen.
Sind mit allen Wassern
gewaschen, auch die nettesten. Ko ist keine Ausnahme, da möchte ich wetten.«
Zum erstenmal meldete sich der rothaarige Junge zu Wort und unternahm einen
Entlastungsangriff.
    »Die
Eingabe fußt auf einem Trugschluß«, erklärte er unverblümt und wandte sich zunächst
mehr an Guillam als an Smiley. Puritanischer Primaner, dachte Guillam: ist
überzeugt, daß Sex entkräftend wirkt und Spionieren unmoralisch ist. »Sie sagen, Ko steht auf der russischen Gehaltsliste. Wir
sagen, das ist nicht bewiesen. Wir sagen, das Konto kann russisches Geld enthalten, aber Ko und das Konto sind
völlig getrennte Faktoren.« In seiner Entrüstung redete er viel zu lange
weiter: »Sie sprechen
von Vergehen. Während wir sagen, Ko
hat sich nicht gegen das in Hongkong geltende Gesetz vergangen und sollte der
ihm als Bürger einer Kolonie zustehenden Rechte teilhaftig sein.« Mehrere
Stimmen donnerten gleichzeitig los. Lacon gewann. »Niemand spricht hier von
Vergehen«, konterte er. »Von Vergehen ist überhaupt nicht die Rede. Wir
sprechen über Sicherheit. Ausschließlich. Sicherheit, und die Frage, ob es
wünschbar ist oder nicht, wegen einer augenscheinlichen Gefahr Untersuchungen
anzustellen.«
    Hammers
Kollege vom Schatzamt war, wie sich herausstellte ein eiskalter Schotte, mit
einem ebenso schmucklosen Stil wie der Primaner.
    »Kein
Mensch macht sich hier stark, Kos Rechte als Bürger der Kolonie zu
beschneiden«, fauchte er. »Er hat keine. In den Gesetzen von Hongkong steht kein Wort, daß der Gouverneur nicht Mr. Kos
Post öffnen oder Mr. Kos Telefon abhören darf oder sein Zimmermädchen bestechen
oder in seinem Haus bis Ultimo Meisen kleben. Kein einziges Wort. Und es gibt
noch einiges mehr, was der Gouverneur tun kann, wenn er es für richtig hält.«
    »Auch rein
spekulativ«, sagte Enderby mit einem Blick zu Smiley. »Der Circus verfügt dort
nicht über den nötigen Apparat für solche Spaße, und unter den gegebenen Umständen wäre es auf jeden
Fall unsicher.«
    »Es wäre
skandalös«, sagte der rothaarige Junge vorwitzig, und Enderbys Schlemmerauge,
gelb von allen Mahlzeiten seines Lebens, hob sich zu ihm und merkte ihn vor zu
späterer Behandlung.
    So verlief
das zweite erfolglose Scharmützel. Sie kabbelten sich herum bis zur Kaffeepause,
kein Sieger, keine Leichen. Zweite Runde unentschieden, lautete Guillams
Spruch. Er fragte sich bänglich, wie viele Runden es wohl geben werde. »Was ist
denn los?« fragte er Smiley

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