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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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nichts am Zeug flicken möchte -, daß Mrs.
Worthington Sie unter irgendeiner Art von Zwang verließ . . . Moment noch.
Lassen Sie mich erst erklären, was ich damit sagen will. Bitte. Sie ging
freiwillig. Sie ging allein fort. Sie wurde nicht in unzulässiger Weise dazu
genötigt, verlockt oder auf irgendeine Art Opfer einer gesetzwidrigen Pression.
Einer Pression zum Beispiel, die, sagen wir einmal, früher oder später
Gegenstand einer gerichtlichen Klage, angestrengt von Ihnen selbst oder von
anderen gegen eine dritte, bisher noch nicht genannte Partei sein könnte?«
Langatmigkeit erzeugt, wie Smiley wußte, bei den Betroffenen einen fast unerträglichen
Drang zum Sprechen. Wenn sie nicht direkt unterbrechen, so kontern sie
zumindest mit aufgestauter Energie: und als Schulmeister war Peter Worthington
ohnehin nicht gerade der geborene Zuhörer.
    »Sie ging
allein fort, ganz allein, und ich stehe und stand immer auf dem Standpunkt, daß
es ihr gutes Recht war. Wenn sie nicht allein
fortgegangen wäre, wenn noch jemand im Spiel gewesen wäre, Männer - wir sind
weiß Gott alle nur Menschen -, so hätte das keinen Unterschied gemacht.
Beantwortet das Ihre Frage? Kinder haben ein Recht auf beide Eltern«, schloß er
lehrhaft. Smiley schrieb fleißig, aber sehr langsam. Peter Worthington
trommelte mit den Fingern auf die Knie, dann ließ er sie in den Gelenken
knacken, einen nach dem anderen, eine rasche, ungeduldige Salve.
    »Und in
der Zwischenzeit, Mr. Worthington, können Sie mir bitte sagen, wurde jemals
eine polizeiliche Suche beantragt in bezug auf -«
    »Wir
wußten immer, daß sie nicht seßhaft bleiben würde. Das war ausgemachte Sache.
Sie nannte mich >Mein Anker<. Entweder das oder >Schulmeister<.
Hatte nichts dagegen. Es war nicht bös gemeint. Es war nur, sie konnte einfach
nicht Peter sagen. Sie
liebte mich als Idee. Nicht als
ein bestimmtes Lebewesen, einen Körper, einen Geist, eine Persönlichkeit, nicht
einmal als Partner. Als Idee, als notwendige Zutat zu ihrer persönlichen,
menschlichen Vollständigkeit. Sie hatte das Bedürfnis, zu gefallen, ich
verstehe das, es entsprang ihrer Unsicherheit, sie sehnte sich nach
Bewunderung. Wenn sie ein Kompliment machte, dann nur, weil sie als Gegengabe
auch eines wollte.«
    »Verstehe«,
sagte Smiley und schrieb wieder, als wolle er diese Ansicht buchstäblich
unterschreiben.
    »Ich
meine, niemand kann ein Mädchen wie Elizabeth heiraten und erwarten, sie für
sich allein zu haben. Es war nicht natürlich. Damit habe ich mich jetzt
abgefunden. Sogar unser kleiner Ian mußte Elizabeth zu ihr sagen. Auch das
verstehe ich. Die Ketten einer »Mammi« waren ihr zu schwer. Ein Kind, das
hinter ihr herläuft und »Mammi« ruft. Zu viel für sie. Geht in Ordnung, ich
verstehe das auch. Ich kann mir vorstellen, daß es für Sie als kinderlosen Mann
schwer verständlich ist, wie eine Frau, egal welchen Schlags, eine Mutter,
geachtet, geliebt und behütet, die nicht einmal Geld verdienen mußte, ihren eigenen
Sohn buchstäblich sitzenlassen und ihm bis heute nicht einmal eine Postkarte
schreiben kann. Sie finden es vielleicht unfaßbar oder sogar abscheulich. Ich
bin da anderer Ansicht. Als es passierte, glauben Sie mir, ja, da war es
schwer.« Er blickte hinaus auf den eingezäunten Spielplatz. Er sprach ruhig,
ohne eine Spur von Selbstmitleid. Er hätte zu einem Schüler sprechen können.
»Wir versuchen hier, die Menschen Freiheit zu lehren. Freiheit innerhalb
bürgerlicher Ordnung. Sie sollen ihre Individualität entwickeln. Wie konnte ich denn ihr vorschreiben,
wer sie war? Ich
wollte nur da sein, sonst nichts. Elizabeths Freund sein. Ihr Schlußmann. So
nannte sie mich unter anderem auch. Ihren Schlußmann. Worauf ich hinauswill:
sie mußte nicht
fortgehen. Sie hätte auch hier tun können, was sie wollte. Bei mir. Frauen
brauchen eine Stütze, wissen Sie. Ohne einen festen Halt -«
    »Und Sie
haben bis heute keine direkte Nachricht von ihr?« erkundigte sich Smiley sanft.
»Keinen Brief, nicht einmal die Postkarte an Ian, gar nichts?«
    »Nicht die
Bohne.«
    Smiley
schrieb. »Mr. Worthington, hat Ihre Frau Ihres Wissens jemals einen anderen
Namen benutzt?« Aus irgendeinem Grund drohte diese Frage Peter Worthingtonin
Harnisch zu bringen. Er fuhr hoch, als hätte seine Schulklasse sich eine
Frechheit erlaubt, und seine Hand schoß vor, um Schweigen zu gebieten. Aber
Smiley redete schon weiter: »Zum Beispiel ihren Mädchennamen? Oder vielleicht
eine Abkürzung

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