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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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zufällig, ob sie sich gelegentlich mit ihrer Mutter in Verbindung setzt?«
    Peter
Worthington schüttelte den Kopf.
    »Bestimmt
nicht. Als Elizabeth fortging, war sie mit ihrer Mutter fertig. Hatte völlig
mit ihr gebrochen. Über diese Hürde habe ich ihr hinweggeholfen, das darf ich
mit Sicherheit behaupten. Mein einziger Beitrag zu ihrem Glück -«
    »Ich
glaube nicht, daß wir die Adresse der Mutter hier haben«, sagte Smiley und
blätterte verbissen in der Akte. »Sie haben nicht -«
    Peter
Worthington gab ihm die Adresse mit lauter Stimme im Diktiertempo zum
Mitschreiben an.
    »Und jetzt
die Daten und Ortsangaben«, wiederholte Smiley. »Bitte.«
    Sie hatte
ihn vor zwei Jahren verlassen. Peter Worthington gab nicht nur den Tag an, sondern
die Stunde. Es war keine Szene vorausgegangen - Peter Worthington hielt nichts
von Szenen, Elizabeth hatte zu viele mit ihrer Mutter gehabt , - sie hatten einen glücklichen Abend verbracht, einen besonders glücklichen sogar. Er hatte sie zur Abwechslung in
das Kebab-Restaurant geführt. »Haben Sie vielleicht gesehen, als Sie herkamen?
- Heißt das Knossos, gleich neben dem Express-Dairy.« Sie hatten Wein getrunken
und tüchtig geschmaust, und Andrew Wiltshire, der neue Englischlehrer, war als
Dritter im Bunde mitgekommen. Elizabeth hatte diesen Andrew erst vor ein paar
Wochen in die Yoga-Lehre eingeführt. Sie waren gemeinsam zum Unterricht ins
Sobell Centre gegangen und dicke Freunde geworden.
    »Sie ist
vom Yoga tief durchdrungen«,
sagte er und nickte billigend mit dem graugesprenkelten Kopf. »Hätte echtes
Interesse. Andrew war genau die Sorte Mann, um sie anzuregen. Extrovertiert,
unreflektiert, körperbetont . . . genau das Richtige für sie«, sagte er
entschieden. Sie waren alle drei um zehn Uhr heimgegangen, wegen des
Babysitters, sagte er: er selber, Andrew und Elizabeth. Er hatte Kaffee
gekocht, sie hörten Musik, und so um elf herum gab Elizabeth jedem einen Kuß
und sagte, sie wolle noch hinübergehen und nach ihrer Mutter sehen.
    »Ich
dachte, sie hätte mit ihrer Mutter gebrochen«, wandte Smiley milde ein, aber
Peter Worthington tat, als hörte er nicht. »Natürlich bedeuten Küsse nichts bei ihr«, erläuterte Peter Worthington rein
informativ. »Sie küßt jeden, die Schüler, ihre Freundinnen - sie würde den
Müllmann küssen, irgendwen. Sie ist sehr spontan.
Sie kann eben keinen in Ruhe lassen. Ich meine, jede Beziehung muß eine
Eroberung sein. Ob es ihr Kind ist oder der Kellner im Restaurant . . . und
wenn sie sie erobert hat, langweilen sie sie. Natürlich. Sie ging nach oben,
sah nach lan und hat sicherlich diesen Augenblick genutzt, um ihren Paß und das
Haushaltsgeld aus dem Schlafzimmer zu holen. Sie hinterließ einen Zettel, auf
dem >Tut mir leid<, draufstand, und seitdem habe ich sie nicht mehr
gesehen. Und Ian auch nicht«, sagte Peter Worthington.
    »Ähem, hat Andrew von ihr gehört?« erkundigte sich
Smiley und kippte wiederum seine Brille herunter. »Warum sollte er?«
    »Sie
sagten, die beiden seien Freunde gewesen, Mr. Worthington. Manchmal werden
Dritte zu Mittlern bei solchen Affären.« Bei dem Wort Affären sah er auf und fand sich direkt in Peter
Worthingtons ehrliche, verzweifelte Augen blicken: und eine Sekunde lang
glitten beide Masken gleichzeitig ab. War Smiley der Beobachter? Oder wurde er
beobachtet? Vielleicht war es nur seine angeschlagene Phantasie - oder spürte
er in sich und in diesem schwachen Jungen, der ihm gegenübersaß, die Regung
einer verlegenen Verwandtschaft? >Es sollte einen Verein für betrogene
Ehemänner geben, die sich selber bemitleiden. Ihr habt alle die gleiche,
nervtötende, gräßliche Vergebermasche !<, hatte Ann ihm einmal ins Gesicht
geschleudert. Du hast deine Elizabeth nie gekannt, dachte Smiley, während er
noch immer Peter Worthington anstarrte: und ich nicht meine Ann.
    »Das ist
wirklich alles, woran ich mich erinnere«, sagte Peter Worthington. »Danach nur
noch ein blinder Fleck.«
    »Ja«,
sagte Smiley. »Ja«, - und er übernahm unwillkürlich Worthingtons
Lieblingswendung -, »ich verstehe.«
    Er stand
auf und wollte gehen. Unter der Tür stand ein kleiner Junge. Er hatte einen
ausweichenden, feindselig-starren Blick.
    Eine
mütterliche, schwere Frau stand hinter ihm und hielt seine beiden Handgelenke
über seinem Kopf fest, so daß er an ihr zu hängen schien, obwohl er auf seinen
eigenen Füßen stand.
    »Schau, da
ist Daddy «, sagte die Frau und blickte Worthington aus

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