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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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des Ehenamens, der in einem nicht englisch sprechenden Land bei
den Einheimischen auf Schwierigkeiten stoßen könnte -«
    »Nie. Nie, nie. Man muß etwas von den
Anfangsgründen der menschlichen Verhaltenspsychologie verstehen. Elizabeth war
hier ein Schulbeispiel. Sie konnte es gar nicht erwarten, ihren Vaternamen
abzulegen. Einer der sehr guten Gründe, warum sie mich heiratete, war der, weil
sie einen neuen Vater und einen neuen Namen wollte. Sie hat ihn bekommen, warum
sollte sie ihn wieder aufgeben? Genauso war es mit ihrem Drang zu romantisieren,
ihrem wilden, wilden Fabulieren. Sie wollte ihrer Umgebung entfliehen. Nachdem
ihr das gelungen war, nachdem sie mich gefunden hatte und die Beständigkeit,
die ich repräsentiere, sehnte sie sich natürlich nicht mehr danach, jemand
anderer zu sein. Sie war jemand anderer. Sie hatte Erfüllung gefunden. Also warum ging sie fort?«
    Wieder
ließ Smiley sich Zeit. Er sah Peter Worthington scheinbar unsicher an, blickte
in seine Akte, blätterte bis zur letzten Eintragung, rückte die Brille auf die
Nasenspitze und las den Eintrag, offensichtlich keineswegs zum erstenmal. »Mr.
Worthington, wenn unsere Information korrekt ist, und wir haben guten Grund,
das anzunehmen - ich würde sagen, vorsichtig geschätzt dürfen wir zu achtzig
Prozent sicher sein -, so benutzt Ihre Frau zur Zeit den Namen Worth. Und sie benutzt einen Vornamen deutscher
Schreibweise, sehr seltsam, nämlich L-i-e-s-e. Es würde mich interessieren, ob
Sie diese Information in irgendeiner Weise bestätigen oder entkräften können,
desgleichen die Information, wonach sie aktiv an einem Juwelengeschäft im
Fernen Osten mit Verbindungen bis nach Hongkong und anderen Zentren beteiligt
ist. Sie scheint einen luxuriösen Lebensstil und gehobenen gesellschaftlichen
Status zu genießen, sich in ziemlich exklusiven Kreisen zu bewegen.«
    Peter
Worthington begriff von alledem offenbar nur wenig. Er hatte sich auf dem Boden
niedergelassen und die Knie hochgezogen. Er ließ abermals die Fingergelenke
knacken, starrte ungehalten die Notenständer an, die wie Skelette in die
Zimmerecke gepfercht waren, und konnte es kaum erwarten, bis Smiley zu Ende
war.
    »Hören
Sie. Ich verlange nur eins. Daß jeder, der mit ihr in Verbindung tritt, das
kapiert. Ich will keine leidenschaftlichen Appelle, keine Appelle an das
Gewissen. Das kommt nicht in Frage. Nur eine nüchterne Erklärung, was geboten
wird, und daß sie willkommen ist. Sonst nichts.« Smiley flüchtete sich wieder
in die Akte. »Nun, bevor wir zu diesem Punkt
kommen, könnten wir vielleicht doch noch die Fakten vollends durchgehen, Mr.
Worthington -«
    »Es gibt keine Fakten«, sagte Peter Worthington, aufs neue
höchlichst gereizt. »Es gibt nur zwei Menschen. Drei, mit Ian. In einer solchen
Sache gibt es keine Fakten. In keiner Ehe. Das
lehrt uns das Leben. Menschliche Beziehungen sind völlig subjektiv. Ich sitze auf dem Fußboden. Das ist ein Faktum. Sie schreiben. Das ist ein Faktum. Elizabeths Mutter steckte dahinter. Das ist ein Faktum. Verstehen Sie? Elizabeths Vater ist ein
größenwahnsinniger, krimineller Irrer. Das ist ein
Faktum. Lizzie ist nicht die
Tochter der Königin von Saba und nicht die
natürliche Enkelin von Lloyd George. Was immer sie auch behaupten mag. Sie hat nicht in Sanskrit promoviert, wie sie der Direktorin
vorzumachen beliebte, die es noch heute glaubt. >Wann werden wir Ihre
reizende Orientalistengattin wiedersehen?< Elizabeth versteht von Juwelen
nicht mehr als ich. Das ist ein
Faktum.«
    »Daten und
Ortsangaben«, murmelte Smiley in die Akte. »Wenn ich das zunächst einmal
nachprüfen dürfte.«
    »Durchaus«,
sagte Peter Worthington gefällig und füllte Smileys Tasse aus der grünen
Blechkanne nach. Tafelkreide hatte sich an den breiten Fingerkuppen abgesetzt.
Sie war wie das Grau in seinem Haar.
    »Die
Mutter war tatsächlich ihr Unglück, ja«, fuhr er im gleichen völlig sachlichen
Ton fort: »Das ganze Getue, daß sie zur Bühne sollte, dann zum Ballett, dann
ein Versuch, sie ins Fernsehen zu lancieren. Die Mutter wollte, daß Elizabeth
bewundert würde. Als Ersatz für sich selber natürlich. Psychologisch völlig
klar. Lesen Sie Berne. Lesen Sie, wen Sie wollen. Das ist eben ihre Art, ihr Selbstverständnis
zu definieren. Durch ihre Tochter. Man muß hinnehmen, daß es solche Dinge gibt.
Ich verstehe das jetzt. Sie ist okay, ich bin okay, die Welt ist okay, Ian ist
okay, und dann ist sie plötzlich weg.«
    »Wissen
Sie

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