Carre, John le
sonst duldsame Geister wurden von wilder
Rachsucht erfaßt. Verrat! Vertragsbruch! Sperrt seine Pension! Setzt ihn auf
die Observierungsliste! Strafverfolgung, sobald er nach England zurückkehrt!
Ein Stückchen weiter unten sahen die weniger fanatisch um ihre Sicherheit
Besorgten die Sache mit milderem Auge, obgleich auch sie von falschen
Voraussetzungen ausgingen. Na ja, so sagten sie ein bißchen kleinlaut, so geht
es eben: zeigt uns einen, der nicht schon dann und wann mal durchgedreht hätte,
und ganz besonders einen, der so lange in Unkenntnis gelassen wurde wie Old
Craw. Und schließlich hatte er nichts veröffentlicht, was nicht allgemein
zugänglich gewesen wäre, nicht wahr? Wirklich, diese Housekeepers da sollten
sich ein bißchen mäßigen. Wie sie zum Beispiel
neulich abends die arme Molly Meakin, die schließlich Mikes Schwester ist,
fertiggemacht haben, nur weil sie ein Blatt leeres Briefpapier in ihrem
Papierkorb ließ! Nur die Leute vom innersten Kreis sahen die Sache anders. Für
sie war Old Craws Artikel ein Meisterstück an Desinformation: George Smiley in
seinen besten Tagen, sagten sie. Klar, daß die Sache herauskommen mußte, und
alle stimmten darin überein, daß Zensur zu jeder Zeit ein fragwürdiges Mittel
sei. Viel besser also, wenn sie nach unserer eigenen Fasson herauskam. Der
rechte Zeitpunkt, das rechte Maß, der rechte Ton: in jedem Federstrich die
Erfahrung eines ganzen Lebens, so sagten sie einmütig. Aber diese Ansicht drang
nicht über ihren Kreis hinaus.
Drüben in
Hongkong erwies sich Craws High-Haven-Story - völlig klar, sagten die Shanghai
Bowlers, wie die Sterbenden hatte der alte Knabe hier einen prophetischen
Instinkt entwickelt - als sein Schwanengesang. Einen Monat nach dem Erscheinen
hatte Craw sich zurückgezogen, nicht aus der Kolonie, aber aus seinem
Schreiberjob und von der Insel. Er mietete ein Cottage in den New Territories
und verkündete, daß er unter einem gelben Himmel aus der Welt zu scheiden
gedenke. Für die Bowlers hätte er ebensogut Alaska wählen können. Es war
einfach zu verdammt weit, sagten sie, um zurückzufahren, wenn man blau war. Es
ging das Gerücht - barer Unsinn, denn Craws Neigungen zielten nicht in diese
Richtung -, er habe sich einen hübschen Chinesenjungen als Gefährten zugelegt.
Es war das Werk des Zwergs: er konnte es nicht verwinden, daß ein alter Mann
ihm die Story weggeschnappt hatte. Nur Luke wollte ihn nicht vergessen. Luke
fuhr eines Morgens von der Nachtschicht direkt zu ihm hinaus. Nur so, und weil
er den alten Bussard schrecklich gern hatte. Craw sei glücklich wie der Mops im
Paletot berichtete er: ganz der alte Widerling, nur ein bißchen verwirrt, Lukes
unangemeldetes Erscheinen habe ihn aus dem Tritt gebracht. Er hatte einen
Freund bei sich, keinen Chinesenjungen, sondern einen Überraschungsbesuch, den
er als George vorstellte: ein gedrungenes, kurzsichtiges Kerlchen mit runden
Brillengläsern, der ihm offenbar ins Haus geschneit war. Craw hatte Luke beiseite
genommen und ihm erklärt, dieser George schreibe gelehrte Fachartikel für
englische Zeitungen, für die er selber in finsterer Vorzeit gearbeitet habe.
»Zuständig für die Sparte Lebensabend, Ehrwürden. Rutscht mal schnell quer
durch Asien.«
Wer immer
er auch sein mochte, eins wurde deutlich, nämlich daß Craw einen Heidenrespekt
vor dem kleinen Dicken hatte, denn er betitelte ihn sogar »Seine Heiligkeit«. -
Luke war sich als Eindringling vorgekommen und hatte den Rückweg angetreten,
ohne sich zu betrinken.
So standen
also die Dinge. Thesingers heimliche Flucht, Old Craws naher Tod und
Wiederauferstehung sein Schwanengesang trotz aller heimlicher Zensur; Lukes
rastloses Interesse für die Geheimwelt; die schlaue Nutzbarmachung eines
unvermeidlichen Übels durch den Circus. Nichts Geplantes, doch, wie das Leben
so spielt, ein Eröffnungsstück zu vielem, das später geschah. Ein
Taifun-Sonnabend; ein Kräuseln auf dem tückischen, stinkenden, öden, sterilen,
wimmelnden Tümpel Hongkong, ein gelangweilter Chor, noch immer ohne einen
Hauptdarsteller. Und seltsamerweise fiel es ein paar Monate später wiederum
Luke in seiner Rolle als Shakespearescher Bote zu, die Ankunft des Helden zu
verkünden. Die Nachricht kam über den Fernschreiber, als Luke gerade
Bereitschaftsdienst hatte, und er machte sie mit seinem üblichen Eifer einem
gelangweilten Publikum zugänglich: »Leute! Herhören! Eine Neuigkeit! Jerry
Westerby ist wieder auf dem Kriegspfad,
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