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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Deutschen nicht.
Wir sind Patrioten. Und jetzt schanzt er ihr den prima Job zu, wie?«
    »Soviel ich weiß nennt sie sich jetzt Worth, nicht mehr Worthington.
Wissen Sie, warum sie das tun könnte?«
    »Will wohl diesem langweiligen Schulmeister den Schwanz stutzen.«
    »Als Sie sagten, sie habe es getan, um Ricardo zu retten, meinten Sie
natürlich . . . «
    Mrs. Pelling stieß einen bühnenreifen Wehlaut aus. »Oh, ihr Männer. Wann? Wer? Warum? Wie? Im
Gebüsch, lieber Herr. In einer Telefonzelle, lieber Herr. Sie hat Ricardos
Leben erkauft, darling, mit der einzigen Währung, die sie hat. Hat alles für ihn getan und ihn
dann verlassen. Hol's der Teufel, war ein Nichtsnutz.« Sie nahm eine andere
Postkarte zur Hand und studierte die Ansicht eines leeren Strands mit Palmen.
»Meine kleine Lizzi ist mit halb Asien hinter die Hecke gegangen, eh sie ihren
Drake fand. Aber sie fand ihn.« Als hätte sie ein Geräusch gehört, richtete sie
sich jäh auf und starrte Smiley durchdringend an, während sie ihr Haar
glättete. »Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen, mein Lieber«, sagte sie so
leise wie bisher und wandte sich zum Spiegel um. »Solange Sie da sind, krieg
ich die Gänsehaut nicht los, Ehrenwort. Mit vertrauenerweckenden Gesichtern
kann ich nichts anfangen. Tut mir leid, darling, wissen Sie, wie ich's meine?«
    Im Circus verwendete Smiley ein paar Minuten auf die Nachprüfung
dessen, was er bereits wußte: nämlich daß Mellon einer der in den Akten
eingetragenen Decknamen von Sam Collins gewesen war.
     
     Schanghai-Express
    Der Sachverhalt, wie er sich jetzt im bequemen Rückblick darstellt,
weist zum damaligen Zeitpunkt eine trügerische Ballung von Ereignissen auf. Für
Jerry kam und verging das Weihnachtsfest in einer Abfolge zielloser Saufereien
im Korrespondenten-Club und mit dem Abschicken verspäteter, unbeholfen in
Weihnachtspapier gewickelter Päckchen an Cat, zu den unmöglichsten Nachtstunden.
Ein überarbeiteter Suchantrag über Ricardo wurde den Vettern in aller Form
vorgelegt, und Smiley brachte ihn persönlich zum Annex, um Martello noch
weitere Erklärungen zu liefern. Aber der Antrag geriet mitten in den
Weihnachtsrummel - ganz zu schweigen vom unmittelbar bevorstehenden
Zusammenbruch Vietnams und Kambodschas - und schloß seine Rundreise bei den
amerikanischen Dienststellen erst eine ganze Weile nach Neujahr ab, wie die
Daten in der Akte Delphin zeigen. Und das entscheidende Treffen mit
Martello und seinen Freunden vom Rauschgiftdezernat fand sogar erst Anfang
Februar statt. Was diese weitere Verzögerung für Jerrys Nerven bedeutete, wurde
im Circus durchaus richtig eingeschätzt, löste jedoch während dieser
anhaltenden Krisenstimmung weder Mitgefühl noch irgendwelches Handeln aus. Auch
hierfür könnte man Smiley tadeln, je nachdem, wo man steht, aber es ist schwer
zu sehen, was er hätte unternehmen können, außer vielleicht Jerry
zurückzubeordern: besonders da Craw sich nach wie vor enthusiastisch über
Jerrys Moral äußerte. Die fünfte Etage arbeitete rund um die Uhr, Weihnachten
wurde kaum zur Kenntnis genommen, nur daß am Mittag des fünfundzwanzigsten eine
recht dürftige Sherry-Party stattfand und später nochmals eine Pause eingelegt
wurde, während der Connie und die Mütter die Ansprache der Queen auf voller
Lautstärke laufen ließen, um Ketzer wie Guillam und Molly Meakin zu beschämen,
die das Ganze vergnüglich fanden und in den Korridoren schlechte Imitationen
der königlichen Festrede zum besten gaben.
    Die offizielle Eingliederung Sam Collins' in die gelichteten Reihen des
Circus fand an einem wirklich eiskalten Januartag statt, und sie hatte eine
lustige und eine traurige Seite. Die lustige Seite war Sams Einkerkerung. Er
kam an einem Montagvormittag Punkt zehn Uhr an, nicht im Smoking, sondern in
einem flotten grauen Überzieher mit einer Rose im Knopfloch, und sah in der
Kälte wundersam jugendlich aus. Aber Smiley und Guillam waren außer Haus, in
Klausur mit den Vettern, und weder die Portiers noch die Housekeepers hatten
irgendeine Anweisung, ihn einzulassen, also sperrten sie ihn drei Stunden lang
in ein Kellerloch, wo Sam bibberte und kochte, bis Smiley kam und die
Einstellung bestätigte. Wegen Sams Büro gab es nochmals ein Theater. Smiley
hatte ihn auf der vierten Etage neben Connie und di Salis untergebracht, aber
Sam paßte das nicht, er wollte in die fünfte. Er fand das seinem Rang als
amtierendem Koordinator angemessener. Die armen Portiers

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