Carre, John le
plemplem.«
»O doch, ich darf und ich kann, mein Kind«, korrigierte Mr. Hibbert sie
mit liebevollem Lächeln. »Ich habe mein Leben hinter mich gebracht. Ich kann
tun, was ich will.«
Sie tranken den Tee und redeten über den Garten, der ihnen immer wieder
zu schaffen machte, seit sie hier lebten. »Man hat uns geraten: Nehmen Sie die
mit den silbernen Blättern, die vertragen das Salz. Ich weiß nicht, wie, Doris?
Sie scheinen nicht anzuwachsen, oder?«
Mit dem Tod seiner Frau, so brachte Mr. Hibbert zum Ausdruck, endete
auch sein eigenes Leben: er trat nur noch auf der Stelle, bis er zu ihr könnte.
Eine Weile hatte er eine Anstellung in Nordengland innegehabt, danach in London
ein bißchen Bibelarbeit geleistet.
»Dann sind wir nach Süden gezogen, wie, Doris? Ich weiß nicht,
weswegen.«
»Wegen der Luft«, sagte sie.
»Es wird bestimmt eine Party stattfinden, wie, im Palast?« fragte Mr.
Hibbert. »Ich könnte mir vorstellen, daß Drake uns sogar auf die Gästeliste
setzt. Stell dir das vor, Doris. Das würde dir Spaß machen. Eine königliche
Gartenparty. Hüte.«
»Aber Sie sind doch wieder nach Schanghai gegangen«, erinnerte Connie
ihn beiläufig und raschelte mit ihren Notizen, um ihn zurückzurufen. »Die
Japaner waren geschlagen, Schanghai war wieder offen, und schon sind Sie auch
wieder da. Ohne Ihre Frau natürlich, aber trotzdem, Sie sind wieder da.«
»O ja, wir gingen hin.«
»Dann sahen Sie die Kos wieder. Sie trafen sie, und ich bin sicher, daß
die schönste Kabbelei losging. War's nicht so, Mr. Hibbert?« Es schien schon
beinah, als hätte er die Frage nicht mitbekommen, aber plötzlich fing er mit
einigem Verzug herzhaft an zu lachen: »Beim Himmel, und waren sie nicht
inzwischen richtige kleine Männer geworden, die beiden! Pfiffige Kerle! Und
hinter den Mädchen her, mit Verlaub gesagt, Doris. Ich behaupte immer noch,
Drake hätte dich geheiratet, wenn du ihm nur ein bißchen Hoffnung gemacht
hättest.«
»Also bitte, Dad«, murmelte Doris und starrte finster zu Boden. »Und Nelson? Du meine Güte, ein ausgewachsener
Rebell!« Er schlürfte den Tee vom Löffel und so vorsichtig, als fütterte er
einen Vogel. »Wo 's Missie?« Das wollte Drake als erstes wissen. Er hatte sein
ganzes Englisch vergessen, Nelson ebenfalls. Ich mußte ihnen später Stunden
geben. Also sagte ich es ihm. Er hatte inzwischen einiges vom Tod gesehen, das stand fest. War nicht, als ob er es mir
nicht glaubte. >Missie tot<, sagte ich. Mehr gab's nicht zu sagen.
>Sie ist tot, Drake, und sie ist bei Gott.< Ich habe ihn weder vorher
noch später wieder jemals weinen sehen, aber damals weinte er, und ich liebte
ihn dafür. >Ich verliere zwei Mutter<, sagt er zu mir. >Mutter tot,
jetzt Missie tot.< Wir beteten für sie, was kann man sonst machen? Aber
unser kleiner Nelson, der weinte nicht und betete nicht. Der nicht. Hat nie so
an ihr gehangen wie Drake. Nichts Persönliches. Sie war ein Feind. Wir alle
waren Feinde.«
»Wir, wer ist das genau gesagt, Mr. Hibbert?« fragte di Salis
gewinnend.
»Europäer, Kapitalisten, Missionare: wir Ausbeuter allesamt, die es auf
ihre Seelen abgesehen hatten oder auf ihre Arbeitskraft oder auf ihr Silber.
Wir alle«, wiederholte Mr. Hibbert ohne die geringste Spur von nachträglichem
Groll. »Sah in uns allen bloß Ausbeuter. Hat schon was für sich.« Eine Weile
stockte das Gespräch, bis Connie es behutsam wieder in Gang brachte: »Na, sei's
drum, Sie eröffneten also die Mission wieder und Sie blieben bis zum Sieg der
Kommunisten neunundvierzig, ja, und während dieser vier Jahre wenigstens
konnten Sie ein väterliches Auge auf Drake und Nelson haben. Stimmt das so, Mr.
Hibbert?« fragte sie mit gezückter Feder.
»Oh, wir hängten die Lampe wieder über die Tür, ja. Fünfundvierzig
frohlockten wir, wie alle Leute. Der Kampf war vorbei, die Japse waren
geschlagen, die Flüchtlinge konnten wieder nach Hause. Umarmungen auf offener
Straße, das Übliche eben. Wir hatten Geld, Wiedergutmachung glaube ich, einen
Zuschuß. Daisy Fong kam zurück, aber nicht für lange. Die ersten paar Jahre
ging es nach außen hin gut, aber auch nicht wirklich. Wir blieben, solange
Tschiang Kaischek sich an der Regierung halten konnte - na ja, darin war er nie
besonders groß gewesen, wie? Siebenundvierzig machte sich der Kommunismus schon
überall bemerkbar - und neunundvierzig war er endgültig da. Die internationale
Kolonie war natürlich längst verschwunden, die Konzessionen auch,
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