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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Worauf Lizzies Augen niedergeschlagen
blieben, und Jerry dachte, es müßte ein Hauptspaß sein, bei einer anderen
Gelegen- heit, wenn sie alle mehr Zeit hätten, Tius fettes Genick an mehreren
Stellen zu brechen.
    Nur leider hatte ihm Craw nicht auf die Einkaufsliste geschrieben, daß
er Tiu das Genick brechen solle.
    Das Geld, hatte Craw gesagt. Im richtigen Moment zapfen Sie ein Ende der Goldader an, das ist dann Ihr
großes Finale.
    Also, brachte er sie auf das Thema Indocharter. Wer waren diese Leute,
hatte sie gern für die Firma gearbeitet? Sie sprang so prompt darauf an, daß er
sich fragte, ob ihr am Ende dieses Leben auf des Messers Schneide mehr Spaß
gemacht habe als er sich vorstellte.
    »Oh, es war ein phantastisches Abenteuer, Jerry! Sie können es sich
nicht im Traum vorstellen, das schwöre ich Ihnen.« Wiederum Ries
multinationaler Akzent: »Fluggesellschaft: allein schon das Wort ist so absurd. Ich meine, Sie
dürfen dabei nicht an ihre funkelnagelneuen Flugzeuge denken und ihre
bezaubernden Stewardessen und Champagner und Kaviar oder dergleichen, keine
Spur. Das war Arbeit. Das war Pionierarbeit, und das hat mich in allererster
Linie dazu hingezogen. Ich hätte ohne weiteres von Daddys Geld leben können oder vom Geld meiner Tanten, ich meine,
glücklicherweise bin ich absolut unabhängig, aber wer kann der Herausforderung
widerstehen? Unser Grundstock waren ein paar schauderhafte alte DC 3, buchstäblich mit Bindfaden
und Kaugummi zusammengehalten. Wir mußten sogar die Zulassungsbescheinigungen kaufen. Niemand wollte sie ausstellen.
Danach flogen wir buchstäblich alles: Hondas, Gemüse, Schweine. Oh, die Jungens
hatten solche Geschichten mit diesen armen Schweinen. Sie sind ausgebrochen,
Jerry. Kamen in die Erste Klasse, sogar in die Pilotenkabine, stellen Sie sich
vor!«
    »Wie Passagiere«, erklärte Tiu mit vollem Mund. »Sie fliegt
erstklassige Schweine, okay, Mr. Wessby?«
    »Welche Routen?« fragte Jerry, nachdem sie sich von ihrem Lachen erholt
hatten.
    »Da sehen Sie, wie er mich ausfragt, Mr. Tiu. Ich wußte gar nicht, daß
ich so berühmt bin! So geheimnisvoll! Wir flogen überall hin, Jerry. Bangkok,
manchmal Kambodscha, Battambang, Phnom Penh, Kampong Cham, wenn es offen war.
Überall hin. An gräßliche Orte.«
    »Und wer waren Ihre Kunden? Händler, Pendler? Wer waren die
Stammkunden?«
    »Einfach jeder,  den wir kriegen konnten. Jeder, der bezahlen konnte.
Am liebsten im voraus natürlich.«
    Tiu legte eine kleine Eßpause ein, um ein bißchen Konversation zu machen.
    »Ihr Vater ein großer Lord, okay, Mr. Wessby?«
    »Mehr oder weniger«, sagte Jerry.
    »Lords sind ziemlich reiche Burschen. Warum müssen Sie Pferdeschreiber
sein, okay?«
    Ohne auf Tius Geschwätz zu achten, spielte Jerry seine Trumpfkarte aus
und machte sich darauf gefaßt, daß der Deckenspiegel auf ihren Tisch
herunterkrachen würde.
    »Es wird gemunkelt, Ihre Leute hätte irgendeinen Kontakt zu der
dortigen russischen Botschaft gehabt«, sagte er leichthin und ausschließlich zu
Lizzie. »Ist da was Wahres dran, altes Haus? Irgendwelche Roten unterm Bett,
wenn man fragen darf?« Tiu beschäftigte sich angelegentlich mit seinem Reis; er
hielt die Schale unters-Kinn und schaufelte ohne Unterlaß ein. Aber diesmal
warf Lizzie ihm bezeichnenderweise nicht einmal einen flüchtigen Blick zu.
    »Russen?« echote sie verwirrt. »Warum um
alles in der Welt sollten Russen zu uns kommen? Sie hatten ihre regelmäßigen Aeroflot-Flüge von und nach
Vientiane einmal pro Woche.« Er hätte geschworen, damals und später, daß sie
die Wahrheit sprach. Aber er gab sich trotzdem nicht ganz zufrieden: »Auch
keine lokalen Flüge?« bohrte er weiter. »Botenflüge, Kurierdienste oder irgend sonst
etwas?«
    »Niemals. Wie hätten wir das gekonnt? Außerdem, die Chinesen hassen doch die Russen, nicht wahr, Mr.
Tiu?«
    »Russen ziemlich schlechte Leute, Mr. Wessby«, pflichtete Tiu bei. »Sie
riechen ziemlich schlecht.«
    Du aucK dachte Jerry, dem aufs neue der
Mandeln- und Rosen-Duft der Ersten Gattin in die Nase stieg. Jerry lachte über
seine eigene Albernheit: »Ich habe Redakteure, wie andere Leute Magenweh
haben«, entschuldigte er sich. »Der meine ist überzeugt, daß wir ein
paar Rote unterm Bett hervorholen könnten. »Ricardos sowjetische Zahlmeister«.
Hat Ricardo mal Zwischenlandung im Kreml gemacht?«
    » Zahlmeister?« wiederholte Lizzie höchlichst verblüfft. »Ric erhielt nie auch nur
einen Penny von den Russen.

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