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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Züge,
Schnurrbärtchen, etc., sehe aus wie fünfzig Prozent aller Zuhälter in London.
Ich bezweifele, ob Westerby ihn über die Fahrbahn hinweg um ein Viertel nach
elf Uhr nachts wirklich mit Sicherheit habe identifizieren können. Worauf
Westerby erwiderte, sein Sehvermögen sei 1A, und Sam habe die Zeitung auf der
Rennseite aufgeschlagen gehabt. 3 J Und überhaupt, so fragte ich, was habe
Westerby selber um ein Viertel nach elf Uhr nachts in der Gegend von Star
Heights herumzubummeln gehabt. Antwort: er sei von einem Gläschen mit der
UPI-Bande gekommen und habe gehofft, ein Taxi zu erwischen. Hierauf tat ich
empört und sagte, niemand, der bei einer UPI-Sauferei gewesen sei, könne auf
fünf Schritt einen Elefanten ausmachen und schon gar nicht Sam Collins auf
fünfundzwanzig, in einem Auto, in stockfinsterer Nacht. Damit wäre es
ausgestanden - hoffentlich.«
    Daß Smiley über diesen Zwischenfall ernstlich beunruhigt war, versteht
sich von selbst. Nur vier Leute wußten von der Collins-Sache: Smiley, Connie
Sachs, Craw und Sam selber. Daß Jerry ihn zufällig entdeckt haben konnte,
lieferte zusätzlichen Grund zur Besorgnis bei einer Operation, die ohnehin
schon voller Unwägbarkeiten steckte. Aber Craw war geschickt, und Craw glaubte,
Jerry die Grillen ausgeredet zu haben, und Craw war der Mann vor Ort. Höchstens
hätte es noch die Möglichkeit gegeben, aber nur in einer absolut perfekten
Welt, daß Craw es sich hätte angelegen sein lassen, nachzuprüfen, ob in jener
Nacht wirklich in den Midlevels eine UPI-Party stattgefunen habe - und dann
erfahren hätte, daß dies nicht der Fall war und sich daraufhin Jerry nochmals
vorgenommen und ihn seine Anwesenheit in der Gegend von Star Heights hätte
erklären lassen, und in diesem Fall hätte Jerry vermutlich einen Wutanfall
gekriegt und irgendeine neue Geschichte aufgetischt, die nicht nachprüfbar
gewesen wäre: daß er zum Beispiel mit einer Frau zusammengewesen sei und daß
Craw sich um seinen eigenen Dreck kümmern solle. Woraus nichts weiter
resultiert hätte als unnötig böses Blut und im übrigen die gleiche
Entweder-oder-Situation wie zuvor. Es ist gleichfalls verlockend, aber
unvernünftig, von Smiley, auf dem schon so viele Probleme lasteten - die
fortgesetzte und nicht endenwollende Suche nach Nelson, tägliche Sitzungen mit
den Vettern, Nachhutgefechte in den Whitehall-Korridoren -, zu erwarten, daß er
die Parallele zu seiner eigenen Erfahrung der Einsamkeit hergestellt hätte:
nämlich daß Jerry, dem an jenem Abend weder nach Schlaf noch nach Geselligkeit
zumute war, durch die nächtlichen Straßen wanderte, bis er sich vor dem
Wohnblock fand, in dem Lizzie lebte, und dort herumstrich, genau wie Smiley es
bei seinen eigenen Nachtwanderungen tat, ohne genau zu wissen, was er wollte,
außer der minimalen Chance, einen Blick auf sie zu erhaschen.
    Der Strom der Ereignisse, auf dem Smiley dahingetrieben wurde, war viel
zu mächtig, um dergleichen ausgefallene Abstraktionen zuzulassen. Nicht nur
versetzte der achte Tag, als er herangekommen war, den Circus tatsächlich in
den Kriegszustand: es ist auch die verzeihliche Eitelkeit der Einsamen in aller
Welt, zu glauben, sie hätten keine Leidensgenossen.
     
    Der achte
Tag
     
    Die heitere Stimmung auf der fünften Etage war eine große Erleichterung
nach der Niedergeschlagenheit des letzten Meetings. Honigmond der Wühlmäuse,
nannte es Guillam, und heute abend war der Höhepunkt, ein kleinerer
Sternenschauer der Erfüllung, und er erfolgte, nach der Chronologie, die den
Dingen später von den Historikern angekleistert wurde, genau acht Tage nachdem
Jerry und Lizzie und Tiu ihren umfassenden und offenen Meinungsaustausch über
die Themen Tiny Ricardo und russische Goldader gehabt hatten - zum großen
Entzücken der Planer im Circus. Guillam hatte Molly listig eingeschleust. Sie
hatten in allen Richtungen gegraben, diese schattenhaften Nachtgeschöpfe, waren
alten und neuen Wegen und längst überwachsenen Pfaden gefolgt, die es neu zu
entdecken galt; und jetzt drängten sie sich alle zwölf endlich, hinter ihren
beiden Anführern Connie Sachs alias Mütterchen Rußland und dem unergründlichen
di Salis, alias Doc, im Thronsaal zusammen, unter Karlas Porträt, wo sie einen
untertänigen Halbkreis um ihren Chef bildeten, Bolschis und Gelbe Gefahren brüderlich
vereint. Also eine Plenarsitzung; und für jeden, dem ein solches dramatisches
Ereignis neu war, wirklich ein Markstein der Geschichte. Und Molly

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