Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
Vom Netzwerk:
Wovon reden ihre Leute eigentlich?«
    Wiederum Jerry: »Indocharter aber schon, nicht wahr? - Es sei denn,
meine Herren und Meister wären einer Ente aufgesessen, so wird's sein, wie
üblich. Indocharter habe Geld von der dortigen Botschaft erhalten und es in
Form von US-Dollar hinunter nach Hongkong gepumpt: das behaupten sie in Loidoi
, und davon wollen sie nicht abgehen.«
    »Die sind verrückt«, sagte das Mädchen überzeugt. »Ich habe nie solchen
Unsinn gehört.«
    Jerry erschien sie sogar erleichtert darüber, daß die Unterhaltung eine
so unwahrscheinliche Wendung genommen hatte. Ricardo noch am Leben - da bewegte
sie sich auf einem Minenfeld. Ko ihr Liebhaber - es lag bei Ko oder bei Tiu, ob
er dieses Geheimnis preisgeben wollte, nicht bei ihr. Aber russisches Geld?
Jerry war so überzeugt, wie er es irgend sein konnte, daß sie nichts davon
wußte und nichts davon befürchtete.
    Er schlug vor, mit ihr nach Star Heights zurückzufahren. Aber sie sagte,
Tiu müsse sowieso in diese Richtung.
    »Auf recht baldiges Wiedersehen, Mr. Wessby«, versprach Tiu.
    »Freu mich schon, altes Haus«, sagte Jerry.
    »Sie wollen Pferdeschreiber bleiben, ja? Ich meine, so verdienen Sie
mehr Geld, Mr. Wessby, okay?« In seiner Stimme lag keine Drohung, auch nicht in
der freundschaftlichen Art, in derer Jerry einen Klaps auf den Oberarm
versetzte. Tiu sprach nicht einmal so, als erwarte er, daß sein Wort hier mehr
Gewicht haben würde als ein Wort unter Freunden.
    Plötzlich war es vorbei. Sie küßte den Oberkellner, aber nicht Jerry.
Sie schickte Jerry, nicht Tiu nach ihrem Mantel, so daß sie nicht mit ihm
allein war. Sie sah ihn kaum an, als sie sich verabschiedeten.
    Geschäfte mit schönen Frauen, Ehrwürden, hatte Craw gewarnt, sind ähnlich
wie Geschäfte mit bekannten Kriminellen, und die Dame, an die Sie sich jetzt
heranmachen werden, fällt zweifellos in diese Kategorie. Als Jerry durch die mondhellen Straßen nach Hause wanderte - trotz des
langen Wegs, der Bettler, der Augen in den Türnischen -, nahm er Craws
Ausspruch genauer unter die Lupe. Über kriminell konnte er sich beim besten Willen nicht entscheiden; kriminell schien eine ziemlich variable
Größe zu sein, selbst in den besten Zeiten, und weder der Circus noch seine
Agenten waren berufen, ein Kirchspielkonzept von Gesetz und Ordnung zu pflegen.
Craw hatte ihm erzählt, daß Ricardo sie in flauen Zeiten mit kleinen Päckchen über
die Grenze geschickt habe. Große Sache. Überlaß sie den Eulen. Bekannte Kriminelle jedoch war etwas ganz
anderes. Mit bekannt würde er unbedingt einverstanden sein. Als er an den gejagten Blick
dachte, mit dem Elizabeth Worthington Tiu angestarrt hatte, kam er zu dem
Schluß, er müsse dieses Gesicht, diesen Blick und diese Hilflosigkeit in der
einen oder anderen Verkleidung schon die meiste Zeit seines bewußten Lebens
gekannt haben.
    Gewisse unbedeutende Kritiker George Smileys raunen gelegentlich, er hätte
an diesem Wendepunkt irgendwie sehen müssen, woher bei Jerry der Wind blies und
ihn unverzüglich zurückbeordern. Schließlich war Smiley im Endeffekt Jerrys
Einsatzleiter. Er allein führte Jerrys Akte, betreute und instruierte ihn. Wäre
er damals noch in Hochform gewesen, sagen sie, und nicht schon auf dem
absteigenden Ast, so hätte er die Warnsignale zwischen den Zeilen von Craws
Berichten lesen können und Jerry beizeiten abgezogen. Genausogut hätten sie
beanstanden können, er sei bloß ein zweitklassiger Wahrsager. Die Fakten, so
wie sie an Smiley gelangten, waren folgende:
    Am Morgen nach Jerrys Nummer mit Lizzie Worthington - der Ausdruck hat keinen sexuellen Nebensinn -
ließ Craw sich von Jerry über drei Stunden lang bei einem Autotreff berichten,
und Craws Meldung beschreibt Jerrys Verfassung als, wie durchaus verständlich,
»antiklimaktischen Katzenjammer«. Er fürchte anscheinend, sagte Craw, daß Tiu
oder sogar Ko dem Mädchen die Schuld an ihrer »Mitwisserschaft« geben und sogar
Hand an sie legen könnten. Jerry habe mehr als einmal Tius offenkundige
Verachtung für das Mädchen - und für ihn selber und vermutlich für alle
Europäer - erwähnt und Tius Bemerkung wiederholt, wonach er ihretwegen von
Kaulun nach Hongkong reisen würde, aber nicht weiter. Craw habe Jerry
entgegengehalten, daß Tiu sie jederzeit hätte zum Schweigen bringen können und
daß ihr Wissen sich, laut Jerrys eigener Aussage, nicht einmal bis zu der
russischen Goldader erstrecke, ganz zu schweigen von Bruder

Weitere Kostenlose Bücher