Carre, John le
waren. Sie teilten ihm den gestrigen Spielstand mit, und er
betrank sich ein bißchen. Und als er gerade weggehen wollte, tauchte zu seinem
jähen Entsetzen der Zwerg auf, der zwecks Besprechungen mit dem örtlichen Büro
in der Stadt war. Er hatte einen Thai-Jungen im Schlepptau und war daher
besonders impertinent: »Sieh mal an, Westerby! Na, wie geht's dem Geheimdienst heute?« Diesen Witz machte er faat bei jedem,
aber Jerrys Seelenfriede wurde dadurch nicht gefördert. In der Absteige trank
er wiederum eine Menge Whisky, doch die Rührigkeit seiner Mitbewohner hielt ihn
wach. Schließlich ging er, in Notwehr, hinaus und suchte sich ein Mädchen, ein
sanftes kleines Geschöpf aus einer Bar an der Straße, aber als er wieder allein
war, kehrten seine Gedanken zu Lizzie zurück. Es half alles nichts, sie war
seine Bettgefährtin. Wie weit mochte sie bewußt in die Sache verwickelt sein?
Wußte sie, womit sie spielte, als sie Tiu auf Jerry ansetzte? Wußte sie, was
Drakes Jungens mit Frost angestellt hatten? Wußte sie, daß Jerry das gleiche
passieren konnte? Es ging ihm sogar durch den Sinn, daß sie dabeigewesen sein
könnte, als Frost in Behandlung war, und dieser Gedanke entsetzte ihn. Kein
Zweifel: Frosts Leiche war in seiner Erinnerung noch sehr frisch. Eine seiner
schlimmsten Erinnerungen. Um zwei Uhr morgens kam er zu dem Schluß, daß er
Fieber haben müsse, er schwitzte und wälzte sich dauernd herum. Einmal hörte er
das Geräusch leiser Schritte im Zimmer, warf sich in eine Ecke und hielt eine
Tischlampe aus Teakholz, die er aus dem. Sockel gerissen hatte, schlagbereit in
der Hand. Um vier Uhr weckte ihn die erstaunliche Geräuschkulisse Asiens: eine
Art heiseres Schweinequieken, Glocken, Schreie alter Menschen in extremis, das Krähen von tausend Hähnen
hallte in den Korridoren aus Beton und Kacheln. Er kämpfte mit der schadhaften
Installation und machte sich an das mühsame Geschäft der Reinigung mit dünn
tröpfelndem kaltem Wasser. Um fünf Uhr wurde das Radio zum Wecken auf volle
Lautstärke gedreht, und wimmernde asiatische Musik verkündete, daß der Tag
ernsthaft begonnen habe. Inzwischen hatte er sich rasiert, als wäre es sein
Hochzeitstag, und um acht kabelte er seine Pläne, damit der Circus sie abfangen
könne. Um elf bestieg er die Maschine nach Phnom Penh. Als er an Bord der Air
Cambodge Caravelle kletterte, wandte ihm die Bodenstewardesse ihr liebliches
Gesichtchen zu und wünschte ihm mit melodischem Singsang sehr korrekt einen
»guten Frag«. »Danke. Ja. Super«, sagte er und wählte den Platz über der
Tragfläche, wo man die meisten Chancen hat. Als sie abhoben, sah er eine Gruppe
fetter Tha's auf erstklassigem Rasen direkt neben der Rollbahn lausiges Golf
spielen.
Auf der Flugliste, die Jerry an der Anmeldung verkehrtherum gelesen
hatte, standen acht Namen, aber außer ihm bestieg nur. noch ein Passagier das
Flugzeug, ein schwarzgekleideter junger Amerikaner mit einer Aktenmappe. Alles
übrige war Fracht, achtern in braunen Rupfensäcken und Binsenkörben gestapelt.
Eine Luftbrücke, dachte Jerry automatisch. Man fliegt die Waren ein, man fliegt
die Glücklichen aus. Die Stewardeß überreichte ihm eine alte Nummer von Jours de Trance und ein
Malzbonbon. Er las Jours de
France, um ein bißchen französisch zu üben,
dann fiel ihm Candide ein, und er nahm sich das Buch vor. Er hatte Conrad mitgenommen, weil
er in Phnom Penh immer Conrad las, und es reizte ihn, sich deutlich zu machen,
das er jetzt im letzten der Conradschen Flußhäfen saß.
Sie setzten hoch zum Landeanflug an und sackten dann in einer engen,
unangenehmen Spirale durch die Wolken, um ziellosem Beschuß aus dem Dschungel
zu entgehen. Bodenkontrolle gab es nicht, aber das hatte Jerry auch nicht
erwartet. Die Stewardeß wußte nicht, wie weit die Roten Khmer sich der Stadt
bereits genähert hätten, aber die Japaner hatten gesagt auf fünfzehn Kilometer
an allen Fronten, wo es keine Straßen gebe, weniger. Die Japaner hatten gesagt,
der Flugplatz sei unter Feuer, aber nur Raketenbeschuß und nur sporadisch. Noch
keine 105er - noch nicht,
aber alles hat einmal seinen Anfang, dachte Jerry. Die Wolkenschicht war noch
immer da, und Jerry hoffte zu Gott, der Höhenmesser möge in Ordnung sein. Dann
sprang olivenfarbener Boden auf sie zu und Jerry sah Bombenkrater wie
Eispritzer ringsum, und die gelben Furchen der Lastwagenreifen der Konvois. Als
sie federleicht auf der narbigen Rollbahn aufsetzten, planschten
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