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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Coca-Cola. Auf dem Bordstein hockten
Kinder und hüteten Weinflaschen voll gestohlenen Benzins. Auch hieran erinnerte
Jerry sich: es war während der Bombardierungen gewesen. Die Granaten trafen das
Benzin, und das Resultat war ein Blutbad gewesen. Es würde auch jetzt wieder
passieren. Niemand lernte je etwas dazu, nichts änderte sich, am nächsten
Morgen waren die Abfälle weggefegt.
    »Stopp!« sagte Jerry und übergab dem Fahrer in einem momentanen Impuls
den Zettel, auf dem er in der Buchhandlung in Bangkok Charlie Marshalls Adresse
notiert hatte. Er hatte sich vorgestellt, daß er sich in tiefer Nacht dort
anschleichen sollte, aber im hellen Sonnenlicht schien das jeden Sinn verloren
zu haben.
    »Y aller?« fragte der Fahrer und sah ihn erstaunt an. »Genau, altes Haus.«
    » Voms connaissez
cette maison?«
    » Alter Kumpel.«
    » A vous? Un ami á vous?«
      »Presse«, sagte Jerry, was jeden
Irrsinn erklärt. Der Fahrer zuckte die Achseln und lenkte den Wagen in einen
langen Boulevard, an der französischen Kathedrale vorbei und auf eine
ungepflasterte Straße zwischen zurückliegenden Villen, die rasch schäbiger
wurden, als sie sich dem Stadtrand näherten. Jerry fragte den Fahrer zweimal,
was an der Adresse so Besonderes sei, aber der Fahrer hatte seinen Charme
verloren und wies die Fragen achselzuckend von sich. Als sie hielten, forderte
er unverzüglich den Fahrpreis, dann raste er unter ruppigem Gängeschalten
davon. Es war eine Villa wie alle anderen, von einer Mauer umzogen, die den
unteren Teil des Hauses halb verbarg und durch ein schmiedeeisernes Tor
unterbrochen wurde. Jerry drückte auf die Klingel und hörte nichts. Als er
versuchte, das Tor aufzudrücken, rührte es sich nicht. Er hörte ein Fenster
zuknallen und glaubte, als er rasch aufblickte, ein braunes Gesicht hinter dem
Moskitodraht verschwinden zu sehen. Dann surrte das Tor und ließ sich öffnen,
und er. stieg ein paar Stufen zu einer gefliesten Veranda und einer weiteren
Tür hinauf, die aus massivem Teakholz bestand und ein winziges eingelassenes
Gitter hatte, durch das man hinaus-, aber nicht hereinschauen konnte. Er
wartete, dann betätigte er energisch den Türklopfer und hörte das Echo durchs
ganze Haus hüpfen. Es war eine Flügeltür mit einer Fuge in der Mitte. Er preßte
das Gesicht arj den Spalt und konnte einen Streifen Fliesenboden und zwei
Stufen sehen, vermutlich die beiden untersten Stufen einer Treppe. Auf der
letzten standen zwei glatte braune Füße, nackt, und zwei nackte Schienbeine,
aber er konnte nur bis zu den Knien sehen.
    »Hallo!« rief er durch den Türspalt. »Bonjour! Hallo!« Und als die Beine sich
noch immer nicht bewegten: »Je suis un ami de
Charlie Marshall! Madame, Monsieur, je suis un ami anglais de Charlie Marshall!
Capitaine Marshall! Je veux lui parier.« Er nahm eine
Fünfdollarnote und schob sie durch den Spalt, aber nichts biß an, also zog er
sie wieder zurück und riß statt dessen ein Stück Papier aus seinem Notizbuch.
Er richtete die Botschaft an »Captain C. Marshall« und stellte sich namentlich
als »britischen Journalisten mit einem Angebot im beiderseitigen Interesse«
vor, ferner gab er die Adresse seines Hotels an. Auch dieses Papier fädelte er
durch den Spalt, hielt wiederum nach den braunen Beinen Ausschau, aber sie
waren verschwunden, und so ging er, bis er ein cyclo fand, und fuhr damit, bis er ein
Taxi erwischte: und, nein, vielen Dank, nein, vielen Dank, er wollte kein
Mädchen - nur daß er, wie üblich, schon eines wollte. Das Hotel hieß früher Royal. Jetzt hieß es Phnom. Eine Fahne flatterte von der
Mastspitze, aber mit der Großartigkeit war es nicht mehr weit her. Er trug sich
ein, sah im Hof rings um den Swimmingpool eine Menge Fleisch in der Sonne
schmoren und dachte wiederum an Lizzie. Für die Mädchen war dies die harte
Schule, und wenn sie für Ricardo kleine Päckchen befördert hatte, dann war sie
zehn zu eins durch diese Schule gegangen. Die hübschesten gehörten den
Reichsten, und die Reichsten waren die kriminelle Elite von Phnom Penh: die
Gold- und Gummischmuggler, die Polizeichefs, die korsischen Killertypen, die
mit den Roten Khmer inmitten der Kämpfe säuberliche Schiebergeschäfte machten.
Ein Brief war für ihn gekommen, unverschlossen. Der Empfangschef, der ihn
bereits gelesen hatte, sah Jerry höflich zu, als er desgleichen tat. Eine
goldgeränderte Einladungskarte mit einem Botschaftswappen lud ihn zum Dinner.
Sein Gastgeber war jemand, von

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