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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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fliegen
konnte?«
    »Niemand!«
    »Jemand hat mir erzählt, es sei Drake Ko gewesen.«
    »Nie von Drake Ko gehört. Auf dem Totenbett sage ich meiner Mutter,
meinem Vater: Bastard Charlie, der Sohn des Generals, er hat nie in seinem
Leben von Drake Ko gehört.«
    »Was hat Ricardo so Besonderes für Ko getan, daß Ko alle seine Schulden
bezahlt hat?«
    Charlie Marshall nahm einen Schluck Whisky aus der Flasche, dann gab er
sie Jerry. Seine fleischlosen Hände zitterten heftig, sobald er sie vom
Steuerknüppel nahm, und seine Nase lief ständig. Jerry fragte sich, bei wie
vielen Pfeifen pro Tag er wohl angelangt sein mochte. Er hatte einmal einen
korsischen Hotelier in Luang Prabang gekannt, einen pied-noir, der sechzig
nötig hatte, um sein Tagewerk ordentlich hinter sich zu bringen. Captain Marshall fliegt nie am Vormittag, dachte er.
    »Die Amerikaner haben's immer eilig«, klagte Charlie Marshall
kopfschüttelnd. »Wissen Sie, warum wir das Zeug da jetzt nach Phnom Penh
bringen müssen? Jeder ungeduldig. Jeder will heutzutage Schnellschuß. Niemand hat
Zeit zum Rauchen. Jeder will schnell antörnen. Wenn man die menschliche Rasse
umlegen will, muß man sich Zeit lassen, hören Sie?« Jerry nahm einen neuen
Anlauf. Einer der vier Motoren hatte den Geist aufgegeben. Ein zweiter hatte zu
heulen angefangen, als wäre ein Auspuff kaputtgegangen, so daß man noch lauter
brüllen mußte als vorher.
    »Was hat Ricardo für soviel Geld getan?« wiederholte er. »Hören Sie zu,
Voltaire, okay? Ich mag keine Politik, ich bin bloß ein einfacher
Opiumschmuggler, okay? Sie mögen Politik, dann gehn Sie wieder runter und reden
mit den verrückten Shans. »Politik kann man nicht essen. Politik kann man nicht
vögeln. Politik kann man nicht rauchen.« Das sagt er zu meinem Vater.«
    »Wer sagt das?«
    »Drake Ko sagt meinem Vater, mein Vater sagt mir, und ich, ich sage der
ganzen verdammten Menschheit! Drake Ko großer Philosoph, ja?«
    Aus unerfindlichen Gründen verlor die Maschine stetig an Höhe, bis sie
nur noch ein paar hundert Fuß über den Reisfeldern schwebte. Sie sahen ein
Dorf, brennende Kochstellen und Gestalten, die wild auf die Bäume zurannten,
und Jerry fragte sich ernstlich, ob Charlie Marshall etwas aufgefallen sei.
Aber in letzter Sekunde lüpfte er den Hintern und beugte sich weit vor, wie ein
geduldiger Jockey, und kriegte schließlich die Nase des alten Gauls wieder
hoch, und dann genehmigten sie sich beide noch einen Whisky. »Kennen Sie ihn
gut?«
    »Wen?«
    »Ko.«
    »Hab' ihn nie im Leben gesehen, Voltaire. Sie wollen über Drake Ko
sprechen, Sie fragen meinen Vater. Er schneidet Ihnen die Gurgel durch.«
    »Und was ist mit Tiu? - Sagen Sie, wer sind die beiden mit dem
Schwein?« schrie Jerry, um die Unterhaltung in Gang zu halten, während Charlie
die Flasche wieder an sich nahm und einen weiteren Zug daraus tat.
    »Haw-Leute, drunten aus Chiang Mai. Sorgen sich um ihren lausigen Sohn
in Phnom Penh. Glauben, er ist am Verhungern, deshalb bringen sie ihm Schwein.«
    »Also was ist mit Tiu?«
    »Nie von Mr. Tiu gehört, verstanden?«
    »Ricardo wurde vor drei Monaten droben in Chiang Mai gesehen«, brüllte
Jerry.
    »Ja, well, Ric ist komplett verrückt«, sagte Charlie Marshall inbrünstig. »Ric
soll seinen Hintern aus Chiang Mai draußenhalten oder einer geht her und
schießt ihn ihm glatt weg. Wenn sich einer tot stellen muß, soll er seine
verdammte Klappe halten, ja?
    Ich sage zu ihm: >Ric, du bist mein Partner. Halt deine verdammte Klappe
und zieh die Rübe ein oder gewisse Leute könnten persönlich werden.<«
    Die Maschine geriet in eine Regenwolke und verlor sofort rapide an Höhe.
Regen rauschte über auf das blecherne Verdeck und drang durch die Fenster ein.
Charlie Marshall riß ein paar Hebel nach oben und unten, man hörte einen
Signalton, und am Instrumentenbrett leuchteten ein paar Lämpchen auf, die
selbst durch noch so vieles Fluchen nicht zum Erlöschen gebracht werden
konnten. Zu Jerrys Verwunderung begannen sie wieder zu steigen, wenngleich er
inmitten der dahinrasenden Wolken den Steigungswinkel nur schwer schätzen
konnte. Als er sich prüfend umblickte, sah er gerade noch, wie die bärtige
dunkelhäutige Gestalt des Zahlmeisters mit der Fidel-Castro-Kappe die
Kabinenleiter hinunterklomm und dabei die AK 47 am Lauf hielt. Sie stiegen immer höher, der Regen hörte auf, und die
Nacht umgab sie wie eine Landschaft. Plötzlich brachen über ihnen die Sterne durch,
dann etzten sie

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