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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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vor, und zwei Gestalten stiegen aus,
Kambodschaner, nach ihrer Größe und Lautlosigkeit zu ; schließen. Sie
klingelten am Tor, an der Vordertür flüsterten sie ! das magische Losungswort
durch den Spalt und wurden unverzüglich, wortlos eingelassen. Jerry versuchte
sich die Anlage des Hauses vorzustellen. Es wunderte ihn, daß kein
verräterischer » Duft zu bemerken war, weder von der Vorderseite her noch im
Garten, wo er stand. Es war windstill. Er wußte, daß für einen großen Divar Geheimhaltung lebenswichtig war,
nicht wegen der hohen Geldstrafen, sondern wegen der horrenden Bestechungssummen.
Die Villa hatte einen Schornstein und einen Innenhof und zwei Stockwerke: ein
Anwesen, in dem es sich als französischer colon mit einer kleinen Familie von
Konkubinen und Mischlingskindern bequem leben ließ. Die Küche dürfte vermutlich
dem Präparieren dienen. Der sicherste Ort zum Rauchen war zweifellos im
Oberstock, in den Zimmern, die nach dem Innenhof zeigten. Und da aus der Vordertür
kein Geruch drang, schloß Jerry, daß weder Seitenflügel noch Fronttrakt benutzt
wurden, sondern die Rückseite des Hofes.
    Er pirschte sich lautlos weiter, bis er zu dem Lattenzaun kam, der die
rückwärtige Begrenzung des Grundstücks bildete. Ein vergittertes Fenster
lieferte seinem Wildlederstiefel den ersten Halt, ein Überlaufrohr den zweiten,
ein Entlüftungskasten den dritten, und als er von dort aus zum oberen Balkon
weiterkletterte, stieg ihm der Geruch in die Nase, den er erwartet hatte: warm und
süß und lockend. Auch auf dem Balkon war kein Licht, aber im Mondschein waren
die beiden kambodschanischen Mädchen, die dort kauerten, deutlich zu sehen, und
er sah auch die erschreckten Blicke, die sie auf ihn richteten, als er wie vom
Himmel gefallen dort auftauchte. Er befahl ihnen aufzustehen, und trieb sie vor
sich her, dem Geruch entgegen. Der Granatenbeschuß hatte aufgehört, die Nacht
gehörte den Gekkos. Jerry erinnerte sich, daß den Kambodschanern die Zahl ihrer
zirpenden Laute als Orakel diente: morgen ist ein guter Tag, es ist keiner;
morgen werde ich eine Braut nehmen; nein, erst übermorgen. Die Mädchen waren
sehr jung und mußten darauf gewartet haben, daß die Kunden sie holen ließen. An
der Binsentür zögerten sie und drehten sich mit unglücklichen Mienen nach ihm
um. Jerry machte ihnen ein Zeichen, und sie begannen, mehrere Schichten von
Matten beiseitezuschieben, bis ein blasser Lichtschein auf den Balkon fiel,
nicht stärker als das Licht einer Kerze. Er schob die Mädchen vor sich her und
trat ein.
    Der Raum mußte früher das Hauptschlafzimmer gewesen sein und führte in
ein zweites, kleineres Gemach. Jerrys Hand lag auf der Schulter des einen
Mädchens. Das andere folgte widerstandslos. Im ersten Zimmer lagen zwölf
Kunden, lauter Männer. Zwischen ihnen lagen ein paar Mädchen und flüsterten
leise.
    Barfüßige Kulis bewegten sich behutsam zwischen den Ruhenden und
bedienten sie, steckten ein Kügelchen auf die Nadel, zündeten es an und hielten
es über den Pfeifenkopf, während der Kunde einen langen und stetigen Zug tat
und das Kügelchen verbrannte. Die Gespräche waren träge, leise und intim, von
sanften kleinen Wellen dankbaren Gelächters unterbrochen. Jerry erkannte den
weisen Schweizer von der Dinner-Party des Botschaftsrats. Er plauderte mit einem
fetten Kambodschaner. Niemand interessierte sich für Jerry. Die Mädchen wiesen
ihn aus, so wie damals die Orchideen in Lizzie Worthingtons Apartmenthaus.
»Charlie Marshall«, sagte Jerry ruhig. Ein Kuli wies ihn in den Nebenraum.
Jerry entließ die beiden Mädchen, und sie schlüpften weg. Das zweite Zimmer war
kleiner. Marshall lag in einer Ecke, ein Chinesenmädchen in einem kunstvoll
gearbeiteten Cheongsam kauerte über ihm und bereitete ihm die Pfeife. Jerry
nahm an, sie sei die Tochter des Hauses und Charlie Marshall genieße bevorzugte
Behandlung, weil er sowohl Habitue wie Stofflieferant war. Er kniete an
Marshalls anderer Seite nieder. Ein alter Mann sah von der Tür her zu. Auch das
Mädchen sah zu, die Pfeife noch immer in der Hand.
    »Was wollen Sie, Voltaire? Warum lassen Sie mich nicht in Ruhe?«
    »Bloß ein kleiner Bummel, altes Haus. Dann können Sie wieder hierher
zurück.«
    Jerry faßte ihn am Arm und zog ihn vorsichtig in die Höhe, das Mädchen
half.
    »Wie viele hat er schon gehabt?« fragte er das Mädchen. Sie hielt drei
Finger hoch.
    »Und wie viele raucht er gewöhnlich?« fragte er. Sie senkte lächelnd
den

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