Carre, John le
über die mondhellen Gletscherspalten der Wolkengipfel, stiegen
abermals, die Wolken verschwanden endgültig, und Charlie Marshall setzte die
Mütze wieder auf und verkündete, daß nunmehr beide Steuerbordmotoren jede Beteiligung
an der festlichen Veranstaltung eingestellt hätten. In diesem Augenblick
zwischen Himmel und Erde stellte Jerry seine kühnste Frage.
»Und wo ist Ricardo jetzt, altes Haus? Muß ihn finden, ja? Hab meiner
Zeitung versprochen, daß ich mit ihm rede. Können sie doch nicht sitzenlassen,
oder?«
Charlie Marshalls schläfrige Augen hatten sich fast völlig geschlossen.
Er saß da wie in Trance, den Kopf zurückgelehnt; der Mützenrand bedeckte seine
Nase.
»Was ist, Voltaire. Haben Sie was gesagt?«
»Wo ist Ricardo jetzt?«
»Ric?« wiederholte Charlie Marshall und sah Jerry wie verwundert an.
»Wo Ricardo ist, Voltaire?«
»Genau, altes Haus. Wo ist er? Ich möchte mich mit ihm unterhalten.
Dafür waren die dreihundert Piepen. Es gibt nochmals fünfhundert, wenn Sie Zeit
finden könnten, uns beide zusammenzubringen.«
In jähem Erwachen fischte Charlie Marshall den Cadide heraus und schleuderte ihn Jerry
in den Schoß, während er sich einem Zornausbruch überließ.
»Ich weiß überhaupt nie, wo Ricardo ist, verstanden? Ich will nie
keinen Freund in meinem Leben. Wenn ich diesen blödsinnigen Ricardo sehe,
schieß ich ihm auf offener Straße die Eier weg, verstanden? Er ist tot. Und er
kann tot bleiben, bis er stirbt. Er sagt jedem, er ist ums Leben gekommen. Und
vielleicht glaub ich diesem blöden Hund ausnahmsweise einmal!« Er steuerte die
Maschine wütend in die Wolken und hielt dann im Sinkflug auf die langsamen
Blitze der Artilleriestellungen vor Phnom Penh zu, um in der, wie es Jerry
schien, stockfinsteren Nacht eine vollendete Dreipunktlandung zu machen. Jerry
wartete auf den MG-Beschuß durch die Bodenabwehr, er wartete auf den gräßlichen
Plumps, wenn sie kopfüber in einen Mammutkrater tauchen würden, aber er sah
nur, und zwar ganz plötzlich, eine neuerrichtete Futtermauer aus den
wohlbekannten erdgefüllten Munitionskisten, die mit offenen Armen und schwach
erleuchtet darauf wartete, sie in Empfang zu nehmen. Als sie darauf zurollten,
erschien vor ihnen ein brauner Jeep, an dessen Heck ein grünes Licht blinkte,
als würde eine Signallampe von Hand an- und ausgeknipst. Das Flugzeug rumpelte
über den Grasboden. Dicht neben der Futtermauer konnte Jerry ein paar grüne
Lastwagen und ein dichtes Knäuel wartender Gestalten ausmachen, die ihnen
gespannt entgegenblickten, und dahinter den dunklen Schatten einer
zweimotorigen Sportmaschine. Sie kamen zum Stehen, und sogleich hörte Jerry,
wie sich unterhalb ihrer Kabine die Laderaumluke kreischend öffnete, Schritte
auf der Eisenleiter klapperten und Stimmen rasch Fragen und Antworten
tauschten. Der Abmarsch ging so schnell vor sich, daß Jerry völlig überrumpelt
war. Aber er hörte noch etwas anderes, er hörte etwas so Packendes, daß er in
großen Sprüngen die Stufen in den Bauch der Maschine hinunterraste. »Ricardo!«
schrie er. »Halt! Ricardo!«
Doch die einzigen verbliebenen Passagiere waren die beiden Alten, die
Schwein und Paket fest umklammert hielten. Jerry packte die Eisenleiter und
ließ sich im freien Fall hinunter, so daß er sich das Rückgrat prellte, als er
auf die Piste schlug. Der Jeep mit den chinesischen Köchen und deren Leibgarde
aus den Shans war bereits abgefahren. Im Dahinrennen sah Jerry, daß der Jeep
auf ein offenes Tor am Rand des Flugfelds zuraste. Dann war er durch. Zwei
Posten warfen das Tor zu und bezogen wieder davor Aufstellung. Hinter Jerry
schwärmten bereits die behelmten Lastträger auf die Carvair zu. Mehrere
Mannschaftswagen voller Polizisten sahen zu, und einen Augenblick lang war der
törichte Europäer in Jerry versucht, anzunehmen, sie könnten den Fortgang der
Handlung verzögern, bis ihm klar wurde, daß sie Phnom Penhs Empfangskommitee
für eine Drei-Tonnen-Ladung Opium repräsentierten. Aber sein Hauptaugenmerk
galt einem einzelnen, nämlich dem großen bärtigen Mann mit der Fidel-Castro-Kappe
und der AK 47, dessen schweres
Hinken wie synkopiertes Trommeln klang, als er in seinen Fliegerstiefeln die
Eisenleiter hinuntergehumpelt war. Jerry sah ihn nur kurz. Die Tür der kleinen
Beechcraft war schon für ihn geöffnet worden, und zwei Leute vom Bodenpersonal
warteten, um ihm hineinzuhelfen. Sie streckten die Hände nach dem Gewehr aus,
aber Ricardo wehrte ab. Er
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