Carre, John le
drehte sich um und hielt nach Jerry Ausschau. Eine
Sekunde lang sahen sie einander. Jerry warf sich bereits zu Boden, Ricardo hob
das Gewehr, und zwanzig Sekunden lang sah Jerry wieder sein ganzes Leben vor
sich, von der Geburt bis zu diesem Augenblick, während ein paar weitere Kugeln
über den kampfzerpflügten Flugplatz pfiffen. Als Jerry wieder aufblickte,
hatte Ricardo das Feuer eingestellt und war bereits im Flugzeug verschwunden.
Die Gehilfen zogen die Bremsklötze weg. Als die kleine Maschine sich ins
Scheinwerferlicht schwang, rannte Jerry wie der Teufel auf die dunkelste Stelle
des Feldes zu, ehe noch jemand zu der Ansicht gelangen könnte, seine Anwesenheit
könne schlecht für's Geschäft sein.
War nur Theaterdonner, sagte er sich,
als er im Taxi saß, die Hände über den Kopf hielt und versuchte, das wilde Poltern in seiner Brust zu beruhigen. Das kommt davon, schalt er sich, wenn man
unbedingt mit einer alten Flamme von Lizzie Worthington Räuber und Gendarm
spielen will.
Irgendwo schlug eine Rakete ein, aber er scherte sich den Teufel drum.
Er gab Charlie Marshall zwei Stunden, obwohl er schon eine einzige für
reichlich hielt. Es war bereits Ausgangssperre, aber die Krisis des Tages war
nicht mit Eintritt der Dunkelheit beendet, auf dem ganzen Weg zum Phnom waren
Straßensperren errichtet und die Posten hielten ihre Maschinenpistolen im
Anschlag. Auf dem Platz schrien zwei Männer beim Licht von Taschenlampen vor
einer sich ansammelnden Menge aufeinander ein. Ein Stück weiter auf dem
Boulevard hatten Soldaten ein angestrahltes Haus umzingelt, sie lehnten an der
Mauer und fingerten an den Gewehren. Der Fahrer sagte, die Geheimpolizei habe
hier jemanden festgenommen. Ein Oberst und seine Leute seien mit einem
mutmaßlichen Agitator noch drinnen. Im Vorhof des Hotels standen Panzer, und in
seinem Schlafzimmer fand Jerry Luke auf dem Bett liegend und stillvergnügt
süffeln. »Läuft das Wasser?«
»Mhm.«
Er drehte den Hahn auf und fing an, sich auszuziehen. Dann fiel ihm die
Walther ein.
»Etwas geschrieben?« fragte er.
»Mhm«, sagte Luke wieder. »Und Sie auch.«
»Ha Ha.«
»Ich ließ Keller in Ihrem Namen an Stubbsi kabeln.«
»Die Flugplatz-Story?«
Luke überreichte ihm den Belegbogen. »Hab' ein paar original
Westerbyfarben zwischengemischt. Wie auf den Friedhöfen die Knospen sprießen.
Stubbsi liebt Sie.«
»Vielen Dank.«
Im Badezimmer löste Jerry die Walther vom Heftpflaster und steckte sie
in die Jackentasche, wo er sie leicht erreichen könnte. »Wo gehen wir heute
abend hin?« rief Luke durch die geschlossene Tür. »Nirgends.«
»Soll 'n das heißen?«
»Ich hab' schon eine Verabredung.«
»'neFrau?«
»Ja.«
»Nehmen Sie Lukie mit. Drei in einem Bett.«
Jerry sank dankbar in das lauwarme Wasser. »Nein.«
»Rufen Sie sie an. Sie soll noch eine Hure für Lukie auftreiben.< Hören
Sie, da ist dieser tolle Feger aus Santa Barbara hier im Hotel. Ich bin nicht
stolz. Ich hol' sie.«
»Nein.«
»Herrgottnochmal«, schrie Luke jetzt ernstlich böse. »Warum zum Teufel
denn nicht?« Er war nah an die verriegelte Tür gekommen, um seinen Protest
vorzubringen.
»Altes Haus, rutschen Sie mir den Buckel runter«, riet ihm Jerry. »Ich
mag Sie, aber Sie bedeuten mir nicht alles, ja? Also lassen Sie mich in Ruhe.«
»Wenn's dem Esel zu wohl ist . . . wie?« Langes Schweigen. »Na ja,
aber lassen Sie sich bloß nicht die Rübe wegputzen, ist eine stürmische Nacht
da draußen, Partner.«
Als Jerry ins Schlafzimmer zurückkam, lag Luke zusammengerollt auf dem
Bett, starrte die Wand an und betrank sich mit System.
»Wissen Sie was, Sie sind schlimmer als so ein verdammtes Weibsbild«,
sagte Jerry und hielt an der Tür inne, um sich nochmals nach ihm umzusehen.
Die ganze kindische Szene wäre ihm nie wieder eingefallen, wenn die
Dinge sich später anders entwickelt hätten.
Diesmal hielt Jerry sich nicht mit der Glocke am Tor auf, sondern kletterte
über die Mauer und zerschnitt sich die Hände an den Glasscherben, mit denen
die Mauerkrone bestückt war. Er begab sich auch nicht zum Vordereingang, noch
spähte er wie bisher nach den braunen Beinen, die auf der untersten Stufe
warteten, Statt dessen blieb er im Garten stehen, bis die Folgen seiner harten
Landung abgeklungen waren und seine Augen und Ohren ein Lebenszeichen aus der
großen Villa auffangen würden, die vor dem hellen Mond dunkel vor ihm
aufragte.
Ein unbeleuchteter Wagen fuhr
Weitere Kostenlose Bücher