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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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an, er schrieb Ricardos
Adresse und entwarf ein Porträt Charlie Marshalls und des Dreieckshaushalts in
der Flohhütte, aber immer in sehr förmlichen Wendungen, und er erwähnte kein
Wort über seine jüngsten Kenntnisse der Rolle, die der unerfreuliche Sam
Collins spielte. Schließlich: wenn sie es bereits wußten, wozu es ihnen dann
nochmals sagen? Er ließ die Ortsnamen und die Eigennamen weg und fertigte von
ihnen einen besonderen Schlüssel an, dann verwendete er eine weitere Stunde
darauf, beide Botschaften so primitiv zu codieren, daß ein Decodierer keine fünf
Minuten benötigt hätte, um sie zu entschlüsseln, aber ein gewöhnlicher
Sterblicher, auch ein Sterblicher wie sein Gastgeber, der britische
Botschaftsrat, sie nicht hätten lesen können. Und er fügte eine Mahnung an die
Housekeepers hinzu, man möge bitte nachprüfen, ob Blatt and Rodney die letzte
Geldsendung an Cat überwiesen hätten. Er verbrannte die Klartexte, wickelte die
codierten Versionen in eine Zeitung, dann legte er sich auf die Zeitung und
döste, wobei die Pistole ihn in die Rippen drückte. Um sechs rasierte er sich,
packte seine Telegramme in die Paperback-Ausgabe eines Romans um, von dem er
glaubte, sich trennen zu können, und machte sich zu einem Spaziergang in der
Morgenstille auf. Auf dem Platz parkte deutlich sichtbar der Wagen des Botschaftsrat.
Der Botschaftsrat selbst parkte ebenso deutlich sichtbar auf der Terrasse eines
hübschen bistro, er trug einen Strohhut im Riviera-Stil, der an Craw erinnerte, und
labte sich an heißen croissants und cafe au lait. Als er Jerrys ansichtig wurde, winkte er elegant. Jerry schlenderte zu
ihm hinüber: »Guten Morgen«, sagte Jerry.
    »Ah, Sie haben's! Guter Mann!« rief der Botschaftsrat und sprang auf.
»Kann's schon gar nicht mehr erwarten, es zu lesen, seit es erschienen ist!«
    Als er sich von dem Telegramm trennte, dachte Jerry nur an all das, was
nicht darin stand und hatte das gleiche Gefühl wie am Ende eines
Schulsemesters. Vielleicht kam er wieder, vielleicht auch nicht, aber in jedem
Fall würden die Dinge nie wieder ganz so s- in wie vorher.
    Die genauen Umstände von Jerrys Abreise aus Phnom Penh sollten sich
später als wichtig erweisen, Lukes wegen. Im ersten Teil des noch verbleibenden
Vormittags setzte Jerry seine fanatische Suche nach Stories fort, vielleicht
als natürliches Gegengift zu seinem wachsenden Gefühl des Nacktseins. Emsig
machte er sich auf die Suche nach Geschichten von Flüchtlingen und
Waisenkindern und expedierte sie um Mittag über Keller, zusammen mit einer
recht ordentlichen und anschaulichen Schilderung seines Besuchs in Battambang,
die zwar nie im Druck, dafür aber doch in seiner Personalakte erschien. Es gab
damals zwei Flüchtlingslager, beide in vollem Schwang, das eine in einem
riesigen Hotel am Bassac, Sihanuks privater und unvollendeter Traum vom Paradies;
das andere auf einem Rangierbahnhof beim Flugplatz, wo jeweils zwei bis drei
Familien in einem Waggon zusammengepfercht waren. Er besuchte beide Lager, und
es war in beiden das gleiche: junge australische Helden, die sich mit dem
Unmöglichen herumschlugen, das vorhandene Wasser stank, zweimal pro Woche
Reisverteilung, und die Kinder zwitscherten »Hei« und »Bye-bye« hinter ihm her,
während er seinen kambodschanischen Dolmetscher überall herumschleppte und
jedermann mit Fragen belästigte, sich aufspielte und nach jenem besonderen
Etwas Ausschau hielt, das Stubbsis Herz rühren würde.
    In einem Reisebüro buchte er unter großem Getöse einen Flug nach
Bangkok, ein schwacher Versuch, seine Spuren zu verwischen. Auf dem Weg zum
Flugplatz überfiel ihn ein Gefühl des dejá vu. Als ich letztesmal hier war, gingen wir Wasserskifahren, dachte er. Die
europäischen Geschäftsleute halten sich Hausboote, die am Mekong ankern. Und
sekundenlang sah er sich - und die Stadt - in jenen Tagen, als dem
kambodschanischen Krieg noch eine gewisse grausige Unschuld anhaftete:
Staragent Westerby riskiert zum erstenmal Mono-Ski, hüpft wie ein ausgelassener
Junge über die braunen Wasser des Mekong, gezogen von einem lustigen Holländer
in einem Rennboot, das soviel Sprit verbrauchte, daß man davon eine ganze
Familie eine Woche lang hätte ernähren können. Das Gefährlichste war die zwei
Fuß hohe Flutwelle, so erinnerte er sich, die den Fluß hinabrollte, sooft die
Wachen auf der Brücke eine Tiefenladung losließen, damit Taucher der Roten Khmer
sie nicht sprengen könnten. Aber jetzt

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