Carre, John le
sei. Er entdeckte sofort,
daß Tiu nach ihrem Gespräch nicht nach Bangkok, sondern nonstop nach Hongkong
zurückgekehrt war. Er ließ durch Lizzie die Chiu-Chow-Jungens bei Indocharter
ausfragen, und einer von ihnen plauderte aus, Tiu sei ein großes Tier bei China
Airsea, denn als er in Bangkok war, habe er in der Suite von Airsea im Hotel
Erawan gewohnt. Als Tiu wieder nach Vientiane kam, um sich Ricardos Antwort zu
holen, wußte Ricardo daher eine ganze Menge mehr über ihn - sogar, obwohl er
nicht viel davon hermachte, daß Tiu die rechte Hand Drake Kos war. Fünftausend
US-Dollar für einen eintägigen Flug, sagte er nunmehr zu Tiu bei ihrem zweiten
Gespräch, sei entweder zu wenig oder zu viel. Wenn der Job so einfach sei, wie
Tiu behaupte, dann sei es zu viel. War er so riskant, wie Ricardo argwöhnte,
dann sei es zu wenig. Ricardo schlug ein anderes Arrangement vor: ein
»Kompromiß-Geschäft«, sagte er. Er habe damals, so erklärte er mit einer
zweifellos häufig gebrauchten Wendung, an einem »vorübergehenden
Liquiditätsproblem« gelitten. Mit anderen Worten (Jerrys Interpretation), er
war wieder einmal pleite, und die Gläubiger hatten ihn am Kragen. Er brauchte
unbedingt sofort ein regelmäßiges Einkommen, und das wäre ihm sicher, wenn Tiu
dafür sorgte, daß er für ein Jahr bei Indocharter als Pilot und Flugberater
angestellt würde, mit einem vertraglich vereinbarten Gehalt von
fünfundzwanzigtausend US-Dollar. Tiu schien über diese Idee nicht weiter
schockiert, sagte Ricardo. Im Zimmer über den Pfählen wurde es sehr still.
Zweitens wollte Ricardo anstelle der fünftausend Dollar bei Ablieferung
der Fracht einen sofortigen Vorschuß von zwanzigtausend US-Dollar, um damit
seine Verbindlichkeiten zu decken. Zehntausend sollten abgegolten sein, sobald
er das Opium abgeliefert hätte, die anderen zehntausend sollten direkt von
seinem Gehalt bei Indocharter abgezogen werden, im Lauf der Monate seiner
Anstellung. Wenn Tiu und seine Geschäftspartner darauf nicht eingehen könnten,
erklärte Ricardo, so müsse er zu seinem großen Bedauern die Stadt verlassen,
ehe er die Opiumlieferung tätigen könne.
Am folgenden Tag erklärte Tiu sich - mit Variationen - mit den
Bedingungen einverstanden. Nur anstatt der zwanzigtausend Dollar Vorschuß
schlugen Tiu und seine Geschäftspartner vor, Ricardos Schulden direkt von
seinen Gläubigern zu kaufen. Dabei, so erklärte er, würden sie sich wohler
fühlen. Noch am gleichen Tag wurde die Absprache durch einen großartigen
Vertrag »abgesegnet« - Ricardos Religiosität schlug auf Schritt und Tritt durch
-, der in englischer Sprache verfaßt und von beiden Parteien unterzeichnet
wurde. Ricardo - so stellte Jerry im stillen festhatte seine Seele verkauft.
»Was hielt Lizzie von diesem Handel?« fragte Jerry. Ricardo zuckte die
glänzenden Schultern. »Weiber«, sagte er. »Klar«, sagte Jerry, und setzte
wieder sein wissendes Lächeln auf.
Nachdem Ricardos Zukunft gesichert war, legte er sich wieder einen
»angemessenen professionellen Lebensstil« zu. Der Plan, einen Gesamtasiatischen
Fußballfond zu gründen, fesselte seine Aufmerksamkeit, desgleichen ein
vierzehnjähriges Mädchen in Bangkok namens Rosie, das er mittels seines
Indocharter-Gehalts regelmäßig aufsuchte, um es für des Lebens große Bühne zu
schulen. Dann und wann, aber nicht oft, machte er einen kleinen Flug für
Indocharter, nichts weiter Schwieriges: »Ein paarmal Chiang Mai, Saigon. Ein
paarmal in die Shan-Staaten zu Charlie Marshalls altem Herrn, vielleicht ein
bißchen Schlamm mitnehmen, ihm ein paar Waffen bringen, Reis, Gold. Battambang
vielleicht.«
»Wo hält Lizzie sich inzwischen auf?« fragte Jerry, von Mann zu Mann,
wie vorhin.
Das gleiche verächtliche Achselzucken: »Sitzt in Vientiane. Mit ihrem
Strickzeug. Betätigt sich ein bißchen im Constellation. Sie ist jetzt schon
eine alte Frau, Voltaire. Ich brauche Jugend, Optimismus, Energie, Leute, die
Respekt vor mir haben. Es liegt in meiner Natur, daß ich gebe. Wie kann ich
einer alten Frau etwas geben?«
»Bis wann?« fragte Jerry. »Was?«
»Wann war's vorbei mit dem herzlichen Einvernehmen?« Ricardo hatte den
Satz mißverstanden und blickte plötzlich sehr gefährlich, und seine Stimme
würde zur leisen Drohung. »Was zum Teufel meinen Sie?«
Jerry besänftigte ihn mit seinem sonnigsten Lächeln.
»Wie lang bezogen Sie Ihr Gehalt und trieben sich herum, ehe Tiu mit
dem Vertrag ernst machte?«
Sechs Wochen,
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