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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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versunken.
    »Sie sind gestartet und nahmen Kurs nach Norden«, sagte Jerry. Ricardo
hob ein wenig die Lider und heftete einen drohenden, wütenden Blick auf Jerry,
bis er schließlich der Aufforderung, von seiner Heldentat zu berichten, doch
nicht länger widerstehen konnte.
    »Ich bin nie im Leben so gut geflogen. Diese kleine schwarze
Beechcraft. Hundert Meilen nach Norden, weil ich keinem traue. Vielleicht haben
diese Clowns mich irgendwo auf einem Radarschirm eingefangen? Ich gehe kein
Risiko ein. Dann nach Osten, aber sehr langsam, so nah über den Bergen, daß ich
den Kühen zwischen den Beinen durchfliege, okay? Im Krieg haben wir dort droben
kleine Landebahnen, verrückte Vorposten mitten im feindlichen Land. Ich habe
solche Plätze schon angeflogen, Voltaire. Ich kenne sie. Ich finde einen,
direkt auf einem Berggipfel, ist nur aus der Luft erreichbar. Ich schaue
hinunter, sehe die Tanksäule, ich lande, ich tanke die Maschine auf, ich
schlafe ein bißchen, verrückte Sache. Aber Herrgott, Voltaire, es ist nicht die
Provinz Yünnan, okay? Es ist nicht China, und Ricardo, der amerikanische
Kriegsverbrecher und Opiumschmuggler, wird den Rest seines Lebens nicht in
Peking an einem Fleischerhaken hängen, okay? Hören Sie, ich bringe diese
Maschine wieder zurück nach Süden, ich kenne Orte, ich kenne Orte, an denen ich
eine komplette Luftwaffe verlieren könnte, glauben Sie mir.«
    Was die kommenden Monate seines Lebens anging, wurde Ricardo plötzlich
sehr unpräzis. Er hatte einmal vom Fliegenden Holländer gehört und sagte, genau
das sei aus ihm geworden. Er flog, versteckte sich wieder, flog, spritzte die
Beechcraft neu, verkaufte das Opium in kleinen Portionen, um nicht aufzufallen,
ein Kilo hier, fünfzig dort, wechselte einmal im Monat die Zulassung, kaufte
bei einem Inder einen spanischen Paß, traute ihm aber nicht und hielt sich von
allen seinen Bekannten fern, auch von Rosie in Bangkok und sogar von Charlie
Marshall. Das war damals, so erinnerte Jerry sich an Old Craws Information, als
Ricardo den Leuten vom Rauschgiftdezernat Opium verkaufte, aber mit seiner
Geschichte abblitzte. Auf Tius Anweisung hatten die Jungens bei Indocharter
Ricardo unverzüglich auf die Verlustliste gesetzt und seine Flugroute nach
Süden verlegt, um die Aufmerksamkeit abzulenken. Ricardo hatte es erfahren und
nichts dagegen gehabt, tot zu sein.
    »Was haben Sie mit Lizzie angefangen?« fragte Jerry. Wiederum war
Ricardo ziemlich aufgebracht: »Lizzie,
Lizzie, haben Sie einen Komplex, was diese
Schneegans betrifft, Voltaire, daß Sie mir dauernd Lizzie ins Gesicht
schleudern? Ich habe nie eine so unbedeutende Person gekannt. Hören Sie, ich
hab' sie an Ko abgetreten, okay? Ich mache ihr Glück.« Verdrießlich griff er
zum Glas und trank einen Schluck Whisky. Sie vertrat seine Interessen, dachte
Jerry. Sie und Charlie Marshall. Die beiden liefen sich die Hacken ab, um
Ricardo zu schützen.
    »Sie haben mit weiteren einträglichen Aspekten des Falls geprahlt«,
sagte Ricardo. »Bitte sagen Sie mir, welche das sind.« Der Sarratt-Mann hatte
seine Antwort parat: »Punkt eins: Ko erhielt große Summen von der russischen Botschaft
in Vientiane. Das Geld wurde über Indocharter geschleust und landete auf einem
Schwindelkonto in Hongkong. Wir haben die Beweise. Wir haben Aufnahmen der
Bankauszüge.«
    Ricardo schnitt ein Gesicht, als schmeckte ihm der Whisky plötzlich
nicht mehr, dann trank er weiter. Jerry fuhr fort: »Ob das Geld für die
Wiedereinführung des Opiumlasters in Rotchina war oder für irgendeine andere
Dienstleistung, das wissen wir nicht«, sagte Jerry. »Aber wir werden es
herausbringen. Punkt zwei. Wollen Sie ihn hören oder halte ich Sie auf?«
Ricardo hatte gegähnt.
    »Punkt zwei«, sprach Jerry weiter. »Kohat einen jüngerer Bruder in Rotchina.
Hieß früher Nelson. Ko behauptet, er sei tot, aber in Wirklichkeit ist er jetzt
ein hohes Tier bei der Regierung in Peking. Ko versucht seit Jahren, ihn aus
China herauszubringen. Ihr Auftrag lautete, Opium einzufliegen und ein Paket
herauszubringen. Dieses Paket war Bruder Nelson. Deshalb wollte Ko Sie lieben
wie seinen eigenen Sohn, wenn Sie es schaffen würden. Und deshalb wollte er Sie
töten, wenn Sie es nicht zurückbrächten. Wenn das keine fünf Millionen Dollar
wert ist, was dann?« Während Jerry ihn im schwindenden Licht beobachtete,
geschah nichts Besonderes, außer daß das schlummernde Tier in Ricardo sichtlich
erwachte. Er beugte sich ganz langsam

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