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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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sagte Ricardo und faßte sich wieder. Vielleicht acht.
Zweimal war der Flug bereits angesetzt und wieder abgeblasen. Einmal war er
offenbar nach Chiang Mai beordert worden und hatte dort ein paar Tage gewartet,
bis Tiu anrief und sagte, die Leute am anderen Ende seien noch nicht soweit.
Ricardo hatte immer mehr das Gefühl, in eine undurchsichtige Sache verwickelt
zu sein, sagte er, aber die Geschichte, so ließ er durchblicken, habe ihn von
jeher für die großen Rollen des Lebens ausersehen, und wenigstens hatte er die
Gläubiger vom Hals. Ricardo schwieg und fixierte Jerry wiederum sehr genau,
kratzte sich sinnend den Bart. Endlich seufzte er, goß für beide Whisky ein und
schob ein Glas über den Tisch. Unter ihnen bereitete sich der vollendet schöne
Tag auf sein langsames Sterben vor. Die grünen Bäume wurden schwer. Der
Holzrauch von der Feuerstelle der Mädchen roch feucht.
    »Wo gehen Sie von hier aus hin, Voltaire?«
    »Heim«, sagte Jerry.
    Ricardo lachte wiederum schallend.
    »Bleiben Sie über Nacht, ich schicke Ihnen eins von meinen Mädchen.«
    »Ich tue genau, was mir paßt, ja, altes Haus«, sagte Jerry. Die beiden
Männer belauerten einander wie kämpfende Tiere, und eine Weile stand es
tatsächlich Spitz auf Knopf.
    »Sie sind ein verrückter Kerl, Voltaire«, murmelte Ricardo.
    Aber der Sarratt-Mann obsiegte. »Aber eines Tages fand der Flug doch
statt, ja?« sagte Jerry. »Er wurde nicht abgeblasen. Und dann? Los, altes Haus,
erzählen Sie, wie's war.«
    »Klar«, sagte Ricardo. »Klar, Voltaire«, trank einen Schluck und beobachtete
ihn. »Wie's war«, sagte er. »Hören Sie zu, ich erzähle Ihnen, wie's war,
Voltaire.«
    Und dann bringe ich dich um, sagten seine Augen.
    Ricardo war in Bangkok, Rosie forderte ihn heftig. Tiu bestand darauf,
daß Ricardo jederzeit erreichbar sein müsse, und eines frühen Morgens, etwa um
fünf, traf ein Bote in ihrem Liebesnest ein und beorderte Ricardo per sofort
ins Erawan. Ricardo war von der Hotelsuite sehr beeindruckt. So etwas hätte er
auch gern gehabt.
    »Jemals Versailles gesehen, Voltaire? Ein Schreibtisch, so groß wie
eine B 52. Dieser Tiu ist
eine ganz andere Persönlichkeit als der Kuli mit der Katzenstinke, der nach
Vientiane gekommen ist, okay? Er ist ein sehr einflußreicher Mann.
>Ricardo<, sagt er zu mir. »Diesmal ist es sicher. Diesmal liefern wir
ab.«< Seine Anweisungen waren einfach. In ein paar Stunden ging eine
reguläre Maschine nach Chiang Mai. Ricardo sollte sie nehmen. Im Hotel Rincome
waren bereits Zimmer für ihn bestellt. Dort sollte er über Nacht bleiben.
Allein. Kein Alkohol, keine Frauen, keine Gesellschaft.
    »>Sie sollten sich eine Menge zu lesen mitnehmen, Mr. Ricardo«,
sagte er zu mir. >Mr. Tiu«, sage ich zu ihm. >Sie sagen mir, wo ich
hinfliegen soll. Sie sagen mir nicht, wo ich lesen soll. Okay?« Der Kerl ist
sehr arrogant hinter seinem großmächtigen Schreibtisch, verstehen Sie,
Voltaire? Ich seh mich gezwungen, ihm Manieren beizubringen.«
    Am nächsten Morgen um sechs Uhr würde Ricardo im Hotel den Besuch eines
Mannes erhalten, der sich als Freund von Mr. Johnny melden würde. Ricardo
sollte mit ihm gehen. Alles lief ab, wie geplant. Ricardo flog nach Chiang Mai,
verbrachte eine enthaltsame Nacht im Rincome, und um sechs Uhr stellten sich
zwei Chinesen, nicht einer, bei ihm ein und fuhren mit ihm ein paar Stunden
lang nach Norden, bis sie zu einem Hakka-Dorf kamen. Sie stiegen aus,
marschierten eine halbe Stunde bis zu einem leeren Feld, an dessen Ende ein
Schuppen stand. Im Schuppen war eine »flotte kleine Beechcraft« abgestellt,
nagelneu, und in der Beechcraft saß Tiu auf dem Sitz des Copiloten und hatte
eine Menge Landkarten und Papiere auf dem Schoß. Die rückwärtigen Sitze waren
ausgebaut worden, um für die Rupfensäcke Platz zu schaffen. Ein paar
chinesische Bullen standen abseits und sahen zu, und die ganze Stimmung war,
wie Ricardo durchblicken ließ, nicht unbedingt nach seinem Geschmack.
    »Zuerst mußte ich meine Taschen leeren. Meine Taschen sind für mich
etwas sehr Persönliches, Voltaire. Wie die Handtasche für eine Dame. Andenken,
Briefe, Fotos, meine Madonna. Sie behalten alles. Meinen Paß, meine Fluglizenz,
mein Geld . . . sogar meine Armbänder«, sagte er und hob die braunen Arme, so
daß sie klimperten.
    Danach, sagte er mißbilligend, hatte er weitere Dokumente zu
unterschreiben. Zum Beispiel eine Prozeßvollmacht, mit der er die geringen
Reste abtrat, die von seinem Leben nach

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