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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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gekrümmt hielt und ermahnte sich, nicht zu
nahe heranzugehen. Alles, was er tun würde, aus gemessener Entfernung zu tun.
Einen Tritt in die Leiste, aber sich danach nicht auf ihn werfen. Aus der
Reichweite dieser Hände bleiben. »Sagen Sie >Komm rauf<«, befahl er.
    »Komm
rauf«, wiederholte Lizzie ins Telefon. Sie legte auf und hakte die Kette aus.
    »Wenn er
hereinkommt, lächeln sie in die Kamera. Nicht schreien.«
    »Scheren
Sie sich zum Teufel.«
    Sein
geschärftes Ohr hörte den Ruck, mit dem der Lift hielt und das klimpernde
»Ping« der Glocke. Er hörte Schritte sich der Tür nähern, ein einziges Paar Füße,
stetige Schritte, und er dachte an Drake Kos komische, leicht affenartige
Gangart in Happy Valley, wie die Knie sich durch die graue Flanellhose
abzeichneten. Ein Schlüssel glitt ins Schloß, eine Hand griff um die Türkante,
der Rest folgte offenbar ohne böse Ahnung. Inzwischen hatte Jerry bereits sein
ganzes Gewicht in den Sprung gelegt und den Körper, der keinen Widerstand
leistete, gegen die Wand gedrückt. Eine Ansicht von Venedig fiel zu Boden, das
Glas splitterte, er warf die Tür zu, alles auf einmal, er fand eine Kehle und
preßte den Pistolenlauf direkt in das weiche Fleisch. Dann wurde die Tür ein
zweitesmal von außen aufgesperrt, sehr schnell, alle Luft wich aus seinem
Körper, seine Füße flogen nach oben, eine Welle wahnsinnigen Schmerzes brach aus
seinen Nieren und schleuderte ihn auf den dicken Teppich, ein zweiter Schlag
traf ihn in die Leisten, so daß er mit einem keuchenden Laut die Knie zum Kinn
hochriß. Durch die strömenden Tränen sah er die kleine wütende Gestalt Fawns,
des Babysitters, der über ihm stand und zu einem dritten Schlag ausholte, und
das starre Grinsen Sam Collins', der gelassen über Fawns Schulter blickte, um
festzustellen, wie groß der Schaden sei. Und unter der Tür stand noch immer,
mit der Miene ernster Befürchtung, während er den Mantelkragen nach Jerrys
grundlosem Angriff auf seine Person wieder in Ordnung brachte, die verdutzte
Gestalt seines einstigen Führers und Mentors, Mr. George Smiley, der atemlos
seine Bluthunde zurückpfiff.
    Jerry
konnte sitzen, aber nur, wenn er sich vorbeugte. Er hielt beide Hände vor sich
hin und die Ellbogen in die Leisten gepreßt. Der Schmerz flutete durch seinen
ganzen Körper wie ein Gift, das sich von einem zentralen Punkt ausbreitet.
Lizzie beobachtete ihn von der Tür her. Fawn lauerte auf einen weiteren Anlaß,
ihn zu schlagen. Sam Collins saß auf der anderen Seite des Zimmers in einem
Lehnstuhl und hatte die Beine übergeschlagen. Smiley hatte Jerry einen strammen
Brandy eingegossen, beugte sich über ihn und drückte ihm das Glas in die Hand.
»Was tun Sie hier, Jerry?« sagte Smiley. »Ich verstehe das nicht.«
    »Flirten«,
sagte Jerry und schloß die Augen, als eine neue Woge des Schmerzes über ihm
zusammenschlug. »Habe eine unprogrammgemäße Zuneigung zu unserer Gastgeberin
gefaßt. Tut mir leid.«
    »Sie haben
da etwas Gefährliches getan, Jerry«, tadelte Smiley. »Sie hätten das ganze
Unternehmen vereiteln können. Wenn es nun Ko gewesen wäre! Die Folgen wären
nicht auszudenken.«
    »Das
glaube ich Ihnen gern.« Er trank einen Schluck Brandy. »Luke ist tot. Liegt in
meiner Wohnung mit zerschossenem Schädel.«
    »Wer ist
Luke?« fragte Smiley, der vergessen hatte, daß er ihm einmal bei Craw begegnet
war.
    »Niemand.
Nur ein Freund.« Er trank nochmals. »Amerikanischer Journalist: Säufer. Kein
Verlust für die Menschheit.« Smiley warf einen Blick zu Sam Collins hinüber,
aber Sam zuckte die Achseln.
    »Niemand,
den wir kennen«, sagte er.
    »Läuten
Sie trotzdem an«, sagte Smiley.
    Sam nahm
das tragbare Telefon und ging damit aus dem Zimmer.
    Er kannte
sich in der Wohnung aus.
    »Ihr habt
sie wohl erpreßt, wie?« sagte Jerry und wies mit dem Kopf auf Lizzie. »Ungefähr
das einzige auf der Welt, was ihr bisher noch nicht angetan wurde, soviel ich
weiß.« Er rief zu ihr hinüber: »Wie geht's immer, altes Haus? Bitte um
Verzeihung wegen der Balgerei. Wir haben doch nichts kaputtgemacht, wie?«
    »Nein«,
sagte sie.
    »Haben
Ihnen die Daumenschrauben angesetzt wegen Ihrer gottlosen Vergangenheit, wie?
Zuckerbrot und Peitsche? Haben versprochen, daß alles vergeben und vergessen
ist? Dummes Mädel, Lizzie. In diesem Spiel darf man keine Vergangenheit haben.
Und auch keine Zukunft. Verboten!« Er wandte sich wieder Smiley zu:
    »Mehr war
nicht dran, George. Keine Philosophie im

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