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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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sie ins Telefon. »Ich bin früher weggegangen.« Er kniete neben ihr und
versuchte mitzuhören, aber sie preßte den Hörer fest an ihr Ohr.
    Warum
fragte sie ihn nicht, wo er sei? Warum fragte sie nicht, wann sie ihn
wiedersehen würde? Ob es ihm gut gehe? Warum er nicht angerufen habe? Warum sah
sie Jerry so an, ohne ein Anzeichen von Erleichterung?
    Er legte
die Hand auf ihre Wange, drehte ihr den Kopf herum und flüsterte ihr ins andere
Ohr.
    »Sagen
Sie, daß sie ihn unbedingt sehen
müssen. Daß Sie zu ihm kommen. Egal wohin.«
    »Ja«,
sagte sie wieder ins Telefon. »All right. Ja.«
    »Sagen
Sie's ihm! Sagen Sie, daß Sie ihn sehen müssen!«
    »Ich muß
dich sehen«, sagte sie schließlich. »Ich komme zu dir, egal wo du bist.«
    Sie hielt
noch immer den Hörer in der Hand. Sie zuckte die Achseln, eine fragende
Bewegung, und ihre Augen waren noch immer auf Jerry gerichtet - nicht auf ihren
Sir Galahad, sondern auf einen Teil jener feindlichen Welt, die sie von allen
Seiten bedrängte.
    »Ich liebe
dich!« flüsterte er. »Sprechen Sie mir nach!«
    »Ich liebe
dich«, sagte sie kurz mit geschlossenen Augen, und legte auf, ehe er sie daran
hindern konnte.
    »Er kommt
hierher«, sagte sie. »Der Teufel soll Sie holen.«
    Jerry
kniete noch immer neben ihr. Sie stand auf und entfernte sich von ihm.
    »Weiß er
es?« fragte Jerry.
    »Ob er was weiß?«
    »Daß ich
hier bin?«
    »Vielleicht.«
Sie zündete sich eine Zigarette an.
    »Wo ist er
jetzt?«
    »Ich weiß
nicht.«
    »Wann
kommt er?«
    »Er sagt bald.«
    »Ist er
allein.«
    »Das hat
er nicht gesagt.«
    »Ist er
bewaffnet?«
    Sie stand
auf der anderen Seite des Zimmers. Die gespannten grauen Augen hielten ihn noch
immer in ihrem zornig-ängstlichen Blick fest. Aber Jerry kümmerte sich nicht
um ihre Stimmung. Ein fieberhafter Tatendrang hatte alle anderen Gefühle
hinweggefegt.
    »Drake Ko.
Der liebenswerte Mann, der Sie hier einlogiert hat. Ist er bewaffnet. Wird er
mich abknallen? Hat er Tiu bei sich? Ich frage nur.«
    »Im Bett
ist er unbewaffnet, wenn es das ist, was Sie wissen wollen.«
    »Wo gehen
Sie hin?«
    »Ich
dachte, die Herren wollen vielleicht unter sich sein.« Er führte sie zurück zum
Sofa und setzte sie so hin, daß sie auf die Flügeltür am Ende des Zimmers
blickte. Die Türfüllungen bestanden aus undurchsichtigem Glas, dahinter lagen
die Diele und die Wohnungstür. Er öffnete beide Flügel, so daß sie freien Blick
auf jeden Ankömmling hatte.
    »Haben Sie
bestimmte Regeln für das Aufmachen?« Sie begriff seine Frage nicht. »In der Tür
ist ein Guckloch. Will er, daß Sie immer erst nachsehen, ehe Sie jemand
einlassen?«
    »Er ruft
von unten über das Haustelefon an. Dann sperrt er mit seinem eigenen Schlüssel
auf.«
    Die
Wohnungstür bestand aus furnierter Hartfaser, nicht sehr solide, aber solide
genüg. In Sarratt sagten sie, wenn man einen einzelnen ahnungslosen
Eindringling abpaßt, bloß nicht hinter die Tür stellen, sonst kommt man nie
wieder raus. Jerry fand ausnahmsweise, daß sie recht, hätten. Nur, wenn er sich
auf der offenen Seite hielte, so würde er eine ideale Zielscheibe für
aggressive Charaktere bilden, und Jerry war keineswegs überzeugt, daß Ko
ahnungslos oder allein sein würde. Er könnte vielleicht hinter dem Sofa warten,
aber wenn es zu einer Schießerei käme, geriete das Mädchen womöglich in die
Feuerlinie, und das wollte er auf keinen Fall. Ihre wiedergewonnene Passivität
und ihr lethargisches Starren trugen nicht zu seiner Beruhigung bei. Sein
Brandyglas stand neben dem ihren auf dem Tisch. Er stellte es ruhig hinter eine
Vase mit künstlichen Orchideen, leerte den Aschenbecher und legte eine
aufgeschlagene Nummer von Vogue vor ihr auf den Tisch. »Spielen Sie Platten,
wenn Sie allein sind?«
    »Manchmal.«
Er wählte Ellington.. »Zu laut?«
    »Lauter«,
sagte sie. Argwöhnisch stellte er den Ton leiser und beobachtete sie. Da
flötete das Haustelefon zweimal in der Diele. »Vorsicht«, warnte er sie und
ging mit der Pistole in der Hand zur offenen Seite der Wohnungstür, in
Zielscheiben-Position, einen Meter von der Tür entfernt, nah genug, um
vorzuspringen, weit genug, um schießen und sich zu Boden werfen zu können, was
er vorhatte, als er halb in die Hocke ging. Er hielt die Waffe in der linken
Hand und nichts in der rechten, denn auf diese Entfernung würde er beidhändig
treffen, doch falls er zuschlagen müßte, brauchte er die freie Rechte. Er
erinnerte sich, wie Tiu die Finger

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