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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Maresfield,
jetzt mit dem Spitznamen »Delphinarium« belegt, wie auf glühenden Kohlen saßen,
warteten eine volle Woche auf das Eintreffen ihres Opfers, und warteten
vergebens. Vergebens warteten auch die Dolmetscher, Aufzeichner, Inquisitoren,
Babysitter und Angehörigen zugeordneter Berufe, aus denen das Empfangs- und
Befragungskomitee bestand. Das Treffen sei ins Wasser gefallen, sagten die
Housekeepers. Es werde ein neues Datum festgesetzt. Nur Geduld, sagten sie.
Aber bald darauf meldete eine Quelle bei der Immobilienfirma in der
benachbarten Stadt Uckfield, daß die Housekeepers versuchten, aus dem
Pachtvertrag auszusteigen. Und tatsächlich wurde das Team eine Woche später
»bis auf weiteres« aufgelöst. Es trat nie wieder zusammen.
    Als
nächstes sickerte durch, daß Enderby und Martello gemeinsam - allein schon die
Kombination schien befremdlich - einem anglo-amerikanischen Arbeitsausschuß
vorstehen sollten. Der Ausschuß würde abwechselnd in Washington und London
tagen und für die paritätische Verteilung des Delphin-Produktes, Codename CA VI
AR, auf beide Seiten des Atlantik sorgen. Rein zufällig kam heraus, daß Nelson
in die Vereinigten Staaten verbracht worden sei, in einen befestigten Bau in
Philadelphia, den man schon vor einiger Zeit für ihn vorbereitet habe. Die
Erklärung hierfür ließ sogar noch länger auf sich warten. Man habe das Gefühl - man war vermutlich eine bestimmte
Person, aber Gefühle sind durch so viele Korridore schwer zu verfolgen -,
Nelson werde dort sicherer aufgehoben sein. Körperlich sicherer. Denkt nur an
die Russen. Denkt an die Chinesen. Außerdem, betonten die Housekeepers, hätten
die Verarbeitungs- und Auswertungsstellen der Vettern weit günstigere
Voraussetzungen, um den erwarteten, noch nie dagewesenen Materialanfall zu
bewältigen. Außerdem, sagten sie, könnten sich die Vettern die horrenden
Ausgaben leisten. Außerdem -
    »Alles
kalter Kaffee,« wetterte Connie, als sie davon erfuhr. Sie und di Salis
warteten bedrückt auf die Einladung zur Mitarbeit im Team der Vettern. Connie
ließ sich sogar Injektionen verabreichen, um in Form zu sein, aber die
Einladung erging nicht. Weitere Erklärungen. Die Vettern hätten einen neuen
Mann in Harvard, sagten die Housekeepers, als Connie im Rollstuhl bei ihnen
anrauschte. »Wer?« fragte sie zornig.
    Ein
Professor Soundso, jung, Moskau-Spezialist. Er habe sich die Beobachtung der
dunklen Seite der Moskauer Zentrale zur Lebensaufgabe gemacht,
sagten sie und erst unlängst eine Arbeit fertiggestellt - nur zur Verbreitung
im Dienstbereich -, basierend auf geheimdienstlichen Archivstudien, worin er
auf das Maulwurfprinzip und sogar,
in verschleierten Wendungen, auf Karlas Privatarmee zu sprechen gekommen sei.
»Klar ist er das, dieser elende Wurm!« entfuhr es Connie unter bitteren Tränen
der Enttäuschung. »Und er hat es alles aus Connies verdammten Berichten
zusammengeklaut, oder? Und der Kerl heißt Culpepper, und er weiß über Karla
genausoviel wie mein großer Zeh!«
    Die
Housekeepers vermochte indes nicht einmal der Gedanke an Connies großen Zeh aus
dem Tritt zu bringen. Der neue Ausschuß hatte sich für Culpepper entschieden,
nicht für Sachs. »Wartet nur, bis George zurückkommt!« drohte Connie ihnen mit
Donnerstimme. Die Drohung machte erstaunlich wenig Eindruck.
    di Salis
kam nicht besser weg. China-Spezialisten gingen in Langley zwölfe auf ein Dutzend,
wurde ihm erklärt. Eine wahre Schwemme, alter Junge. Tut uns leid, aber es ist
ein Befehl von Enderby, sagten die Housekeepers. »Von Enderby?« echote di Salis.
    Vom
Ausschuß, sagten sie vage. Ein Mehrheitsbeschluß. Also wandte sich di Salis an
Lacon, der in solchen Fällen gern als Ombudsman der kleinen Leute auftrat, und
Lacon ging mit di Salis zum Lunch, und danach teilten sie sich die Rechnung,
denn Lacon war nicht dafür, daß Staatsdiener sich gegenseitig auf Kosten der
Steuerzahler zum Essen einluden.
    »Übrigens,
was haben Sie alle für ein Gefühl in bezug
auf Enderby«, fragte er einmal während der Mahlzeit, und unterbrach damit di
Salis' Jereminade über seine Vertrautheit mit den Chiu-Chow- und
Hakka-Dialekten. Gefühl spielte im
Moment eine große Rolle. »Macht er sich gut dort drüben? Ich hätte gedacht, die
Art, wie er die Dinge sieht, sage Ihnen zu. Ist er nicht ziemlich realistisch?
Was würden Sie sagen?« Realistisch bedeutete in Whitehall in jenen Tagen: auf
der Seite der Falken.
    di Salis
eilte zum Circus zurück und

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