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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Fläche des Fußbodens inmitten eines Zauberbergs von
Gerumpel und fuhr mit dem, was er als Einpacken bezeichnete, fort. Der Berg
bestand aus allem möglichen unnützen Zeug: alten Zeitungsausschnitten, Haufen
vergilbter Zeitungen, Dokumenten, mit grünem Band umwunden, und sogar ein Paar
maßgearbeitete Reitstiefel war darunter, auf Leisten gespannt und grün vor
Schimmel. Theoretisch traf Jerry eine Auswahl alles dessen, was er für seine
Reise benötigen würde, aber er kam selten über die Bergung von Souvenirs
hinaus, die in beiden von ihnen eine Kette von Erinnerungen auslösten. Eines
Nachts zum Beispiel grub er einen Band seiner frühesten Erzählungen aus.
    »Heh, Pet!
Hier ist eine gute! Hier reißt Westerby einem die Maske ab! Läßt dein Herz
schneller schlagen, wie, altes Haus? Treibt das träge Blut durch die Adern?«
    »Du
hättest ins Geschäft deines Onkels eintreten sollen«, erwiderte sie, während
sie mit großer Genugtuung die Seiten umblätterte. Besagter Onkel war ein
Kieskönig, den Pet gern ins Treffen führte, um Old Sambos mangelnde
Geschäftstüchtigkeit herauszustreichen.
    Ein
andermal fanden sie das jahrealte Testament des alten Herrn - »Ich, Samuel,
auch bekannt als Sambo Westerby« - zusammen mit einem Packen Rechnungen und
Anwaltskorrespondenz an die Adresse Jerrys in seiner Eigenschaft als
Testamentsvollstrecker irgendwo hineingestopft, alles voller Whisky- oder
Chininflecken und stets beginnend mit: »Zu unserem Bedauern.«
    »Hartes
Schlägchen, das«, murmelte Jerry verlegen, als es zu spät war, den Umschlag
wieder unter dem Gerumpel verschwinden zu lassen. »Könnten wir eigentlich ins
Na-du-weißt-schon schmeißen, was, altes Haus?«
    Ihre
Knopfaugen funkelten ihn wütend an. »Laut«, befahl sie mit rauher Bühnenstimme,
und schon durchstreiften sie gemeinsam die unentwirrbaren Knäuel von Treuhänderscharten,
die Enkelkinder versorgten, Neffen und Nichten auf Schulen schickten, Apanagen
für eine Ehefrau auf Lebenszeit sicherten, Kapital an Soundso bei Tod oder
Verheiratung; quälten sich durch Nachsätze, die Wohlverhalten belohnten,
andere, die Verstöße rächten.
    »Heh,
weißt du, wer das war? Vetter Aldred, das schwarze Schaf, der im Kittchen war!
Herrjeh, warum wollte er ausgerechnet dem Geld
hinterlassen? Hätt's in einer einzigen Nacht verputzt!« Und Nachsätze zwecks
Versorgung der Rennpferde, die andernfalls womöglich unters Beil kämen: »Mein
Pferd Rosalie in Maison Lafitte, zusammen mit zweitausend Pfund pro Jahr für
Stallgeld . . . Mein Pferd Intruder, zur Zeit zum Training in Dublin, gehen an
meinen Sohn Gerald, mit der Auflage, daß er bis zu ihrem natürlichen Tod für
sie sorgen wird . . . « Old Sambo konnte, genau wie Jerry, ein Pferd über alles
lieben. Auch für Jerry: Aktien. Ausschließlich für Jerry: das Aktienkapital
der Gesellschaft in Millionenhöhe. Mantel, Macht, Verantwortung; eine ganze
großartige Welt zum Erben und Sich-Tummeln - eine Welt, die dargeboten, sogar
versprochen und dann wieder entzogen wurde: » . . . meinen Sohn, sämtliche
Zeitungen der Gruppe entsprechend den zu meinen Lebzeiten üblichen Gepflogenheiten
und Regeln zu übernehmen.« Sogar ein Bastard wurde bedacht; ein Betrag von
zwanzigtausend, »frei von allen Steuern und anderen Zahlungsverpflichtungen,
zahlbar an Miß Mary Soundso in Chobham, nachweislich Mutter meines Sohnes
Adam«. Der einzige Haken: die Kasse war leer. Als das Imperium des großen
Mannes dem Konkurs entgegentaumelte, schrumpften die Konten unaufhaltsam. Dann
wuchsen die roten Zahlen zu langen blutsaugenden Insekten heran, schwollen
jedes Jahr um eine Null.
    »Ach ja,
Pet«, sagte Jerry in der unirdischen Stille der ersten Morgendämmerung, als er
den Umschlag wieder auf den Zauberberg warf. »Fix und fertig mit ihm, wie,
altes Haus?« Er rollte sich auf die Seite, zog sich den Stapel vergilbter
Zeitungen heran - letzte Nummern der väterlichen Geisteskinder - und wühlte
sich, wie es nur alte Zeitungsleute können, durch den ganzen Haufen zugleich.
»Kann nicht hinter den munteren Vöglein herjagen, dort, wo er jetzt ist, wie?« - gewaltiges Blätterrascheln-, »zwar, zuzutrauen wär's ihm, wie?
Versuchen wird er's immer noch, wenn du mich fragst.« Und mit ruhigerer Stimme,
während er sich umdrehte und die stumme kleine Puppe ansah, die auf seiner
Bettkante saß und mit ihren Füßen kaum bis zum Boden reichte; »Du warst immer
seine thai-thai, altes Haus, seine Nummer eins.
Immer dein Lob

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