Carre, John le
das kalt!«
Statt
einer Antwort versetzte Guillam Jerry einen tüchtigen Klaps auf die Schulter,
als schickte er ihn auf die Rennbahn, schloß die Tür fest, versperrte sie oben
und unten, steckte die Schlüssel in die Tasche und führte ihn im Trab einen
Korridor entlang, den die Frettchen im Zorn aufgerissen haben mußten. Verputz
war in Klumpen weggehackt worden, die Armierung lag frei, Türen waren aus den
Angeln gerissen, Schwellen und Pfosten hingen lose, Abdecktücher, Leitern und
Abfall lagen überall. »Die Iren dagehabt, wie?« schrie Jerry. »Oder nur einen
Ringelpietz?«
Seine
Fragen gingen in dem Krach unter. Die beiden Männer stiegen rasch wie um die
Wette hinauf, Guillam voran und Jerry ihm auf den Fersen, sie lachten atemlos,
ihre Füße donnerten und scharrten auf den bloßen hölzernen Stufen. Eine Tür
gebot ihnen Einhalt, und Jerry wartete, während Guillam sich mit den Schlössern
abmühte. Dann wartete er auf der anderen Seite wiederum, während Guillam aufs
neue abschloß. »Willkommen an Bord«, sagte Guillam jetzt ruhiger. Sie waren in
der fünften Etage angelangt. Jetzt bewegten sie sich gemessener, nicht mehr
ausgelassen, sondern wie Subalterne, die zur Ordnung gerufen wurden. Der Korridor
machte eine Biegung nach links, dann wieder nach rechts, dann ging es ein paar
enge Stufen hinauf. Ein halbblinder Spiegel, wieder Stufen, zwei hinauf, drei
hinunter, bis sie zu einem Portierspult kamen, das unbesetzt war. Zu ihrer
Linken lag die Rumpelkammer, leer, die Clubsessel waren in einem unvollkommenen
Kreis aufgestellt, und im Kamin brannte ein ordentliches Feuer. Von dort führte
der Weg durch einen langgestreckten teppichbelegten Raum, beschriftet
»Sekretariat«, in Wahrheit jedoch das Vorzimmer, wo drei Mütter in Twinsets und
Perlen beim Schein von Leselampen ruhig tippten. Am Ende dieses Raums eine
weitere Tür, geschlossen, unlackiert und rings um die Klinke sehr schmierig.
Kein Türschoner, keine Schloßblende. Nur die Schraubenlöcher, stellte er fest,
und der Ring, in dem früher eine gewesen war. Guillam stieß die Tür auf ohne
anzuklopfen, steckte den Kopf durch den Spalt und sagte etwas leise hinein.
Dann trat er beiseite und ließ Jerry rasch ein: Jerry Westerby meldet sich zur
Stelle. »Super, George, hallo.«
»Und
fragen Sie ihn nicht nach seiner Frau«, warnte Guillam ihn mit hastigem leisen
Raunen, das noch eine gute Weile in Jerrys Ohr nachsummte.
Vater und
Sohn? Diese Art von Beziehung? Kraft zu Klugheit?
Genauer
würde vielleicht sein: Sohn zu Adoptivvater, was im Metier als das stärkste
aller Bande gilt.
»Altes
Haus«, brabbelte Jerry und lachte heiser.
Englische
Freunde haben keine eigentliche Begrüßungsformel, und schon gar nicht in einer
trübseligen Amtsstube mit nichts Gemütlicherem darin als einem Schreibtisch aus
grobem Holz.
Den
Bruchteil einer Sekunde lang legte Jerry seine Pranke in Smileys weiche,
zögernde Handfläche, dann tappte er in einigem Abstand hinter ihm zum offenen
Kamin, wo zwei Armsessel ihrer harrten: altes, rissiges Leder und
durchgesessen. Wieder einmal brannte in dieser unberechenbaren Jahreszeit ein
Feuer auf dem viktorianischen Rost, aber es war sehr klein im Vergleich zu dem
Feuer in der Rumpelkammer.
»Und wie
war's in Lucca?« erkundigte sich Smiley und füllte zwei Gläser aus einer
Karaffe.
»Lucca war
prima«, erwiderte Jerry.
»O je.
Dann dürfte der Abschied schwergefallen sein.«
»Ach Gott,
nein. Super. Cheers.«
»Cheers.«
Sie
setzten sich.
»Warum
dann super, Jerry?« fragte Smiley, als sei
super für ihn ein Fremdwort. Auf dem Schreibtisch lagen keine Papiere, und das
ganze Zimmer war kahl, glich eher einem unbenutzten Raum als seinem Büro.
»Ich
dachte, mit mir wär's aus!« erklärte Jerry. »Endgültig beim alten Eisen.
Telegramm hat mir glatt die Puste verschlagen. Dachte, na ja, Bill hat mich
himmelhochgehenlassen. Hat er schließlich jeden, also warum nicht auch mich?«
»Ja«,
pflichtete Smiley ihm bei, als teilte er Jerrys Zweifel, und linste ihn eine
Weile unverhüllt prüfend an. »Ja, ja, stimmt. Aber per saldo scheint es, daß er
die Gelegentlichen nie völlig hochgehen lassen konnte. Wir haben seine Spuren
so ziemlich in jedem anderen Winkel des Archivs entdeckt, aber die Gelegentlichen
waren unter den Reservisten in der Sparte >Freundschaftliche Kontakte<
abgelegt, in einem völlig getrennten Archiv, einem, zu dem er nicht ohne
weiteres Zugriff hatte. Nicht etwa, daß er Sie für nicht
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