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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Stühlen.
    »Ich las
einmal«, sagte Smiley, »bei einem Historiker, wenn ich mich recht erinnere -
auf jeden Fall einem Amerikaner -, eine Stelle über Generationen, die in
Schuldgefängnissen zur Welt kommen und sich ihr ganzes Leben lang mühen, sich
den Weg in die Freiheit zu erkaufen. Ich glaube, unsere Generation gehört dazu.
Glauben Sie nicht? Ich habe noch immer das entschiedene Gefühl, in Schuld zu
sein. Sie nicht? Ich war diesem Amt immer dankbar, daß es mir Gelegenheit gibt,
abzuzahlen. Haben Sie dieses Gefühl auch? Ich glaube nicht, daß wir uns davor
fürchten sollten, uns aufzuopfern. Ist das altmodisch von mir?« Jerrys Miene
erstarrte. Er vergaß diese Seite Smileys immer wieder, wenn er weit weg war,
und entsann sich ihrer zu spät, wenn sie zusammen kamen. Es war etwas von einem
Priester an Old George verlorengegangen, und je älter er wurde, desto
deutlicher kam es zum Vorschein. Er schien anzunehmen, daß die ganze verflixte
westliche Welt seine Besorgnisse teilte und zur rechten Denkungsart überredet
werden müßte. »In diesem Sinne glaube ich, daß wir uns zu Recht beglückwünschen
dürfen, ein bißchen altmodisch zu sein.« Jerry reichte es. »Altes Haus«, wies
er ihn mit unbeholfenem Lachen zurecht, und die Röte stieg ihm ins Gesicht. »Um
Himmels willen. Sie deuten in die Richtung, und ich zieh los. Okay? Sie sind
die Eule, nicht ich. Sie geben mir die Schläge an, ich führe sie aus. Die Welt
ist randvoll mit zimperlichen Intellektuellen, die fünfzehn verschiedene
Gründe dafür anführen, ob sie sich die Nase putzen sollen oder nicht. Die haben
mich nicht nötig. Okay? Ich meine, Herrjeh.«
    Ein
scharfes Klopfen an der Tür verkündete das Wiedererscheinen Peter Guillams.
    »Friedenspfeifen
alle angezündet, Chef.« Zu seiner Überraschung glaubte Jerry über alle
Geräusche dieser Unterbrechung hinweg den Ausdruck »Damenfreund« gehört zu
haben, aber ob er sich auf ihn oder auf den Dichter Heine bezog, konnte er
nicht sagen, und es war ihm auch ziemlich egal. Smiley zögerte, runzelte die
Stirn und schien erst dann seine Umgebung wieder wahrzunehmen. Er blickte
Guillam an, dann nochmals Jerry, dann richteten sich seine Augen auf jene
mittlere Distanz, die das Privatgehege englischer Akademiker zu sein scheint.
»Also, ja, dann wollen wir anfangen, die Uhr aufzuziehen«, sagte er, und es
klang wie von weither.
    Als sie
hinausmarschierten, blieb Jerry vor dem Foto an der Wand stehen, die Hände in
den Taschen, grinste es bewundernd an und hoffte, Guillam möge ebenfalls
zurückbleiben, was er auch tat.
    »Sieht
aus, als hätte er seinen letzten Nickel verschluckt«, sagte Jerry. »Wer ist
das?«
    »Karla«,
sagte Guillam. »Hat Bill Haydon angeworben. Russischer Spion.«
    »Klingt
mehr wie ein Mädchenname. Wie geht's immer?«
    »Ist der
Codename seines ersten Netzes. Eine andere Lesart will wissen, daß es auch der
Name seiner einzigen Liebe ist.«
    »Hoch soll
er leben«, sagte Jerry gleichgültig und schlenderte neben Guillam noch immer
grinsend in Richtung Rumpelkammer. Smiley war, vielleicht absichtlich,
vorausgegangen, außer Hörweite ihrer Unterhaltung. »Immer noch mit der
Verrückten zusammen, dieser Flötenspielerin, wie?« fragte Jerry. »Sie ist
inzwischen weniger verrückt«, sagte Guillam. Sie machten noch ein paar
Schritte.
    »Ausgerückt?«
erkundigte Jerry sich mitfühlend. »So ähnlich.«
    »Und bei ihm ist alles
in Ordnung, oder?« fragte Jerry ungemein beiläufig und wies mit dem Kopf nach
der einsamen Gestalt vor ihnen. »Ißt ordentlich, zieht sich warm an und so
weiter?«
    »Besser
denn je. Warum?«
    »Nur so
gefragt«, sagte Jerry sehr erleichtert.
    Vom
Flugplatz aus rief Jerry seine Tochter Cat an, was er selten tat, aber diesmal
mußte es sein. Noch ehe er das Geld einwarf, wußte er, daß es ein Fehler war,
aber er machte weiter und nicht einmal die schrecklich vertraute Stimme der
verflossenen Ehefrau konnte ihn abbringen.
    »Hallo!
Ja, ich bin's. Super. Hör zu: wie geht's Phillie?« Phillie war ihr jetziger
Mann, Beamter, schon fast pensionsreif und doch um etwa dreißig bewegte Leben
jünger als Jerry. »Ausgezeichnet, danke«, erwiderte sie in dem frostigen
Tonfall, in dem einstige Ehefrauen neue Ehemänner verteidigen. »Ist das der Grund
deines Anrufs?«
    »Ach, ich
hab' nur gedacht, ich könnte vielleicht ein bißchen mit Cat schwatzen. Geh 'ne
Weile nach Fernost, wieder ins Geschirr«, sagte er. Er glaubte sich
rechtfertigen zu müssen. »Das

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