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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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hätte er nicht
einmal sich selber eingestanden, daß er wegen Drake Ko hierherkam.
    »Er macht
Krach in Taipeh«, hatte Craw ihm bei einem ihrer Telefongespräche beiläufig
erzählt. »Wird nicht vor Donnerstag zurück sein.« Wieder einmal akzeptierte Jerry
fraglos Craws Nachrichtenverbindungen.
    Er
fotografierte das Haus namens Seven Gates nicht, aber er musterte es wiederholt
mit langen, dämlichen Blicken. Er sah eine niedrige ziegelgedeckte Villa, ein
gutes Stück von der Straße zurückgesetzt, mit einer großen Veranda auf der
Meerseite und einer Pergola aus weißgetünchten Säulen, die sich vor dem blauen
Horizont abhoben. Craw hatte ihm erzählt, daß Drake den Namen gewählt haben
mußte, weil in Schanghai die alte Stadtmauer von sieben Toren durchbrochen wurde.
»Gefühle, mein Sohn. Unterschätzen Sie niemals die Macht der Gefühle über ein
Schlitzauge, und zählen Sie niemals darauf. Arrien.« Er sah Rasenflächen,
darunter zu seiner Belustigung auch einen Krocketrasen. Er sah eine schöne
Sammlung von Azaleen und Hibiskus. Er sah das Modell einer Dschunke, etwa zehn
Fuß lang, auf einem Zementmeer, und er sah eine Gartenbar, rund wie ein
Musikpavillon, mit einer blau-weiß gestreiften Markise darüber, und einen Kreis
leerer weißer Stühle, beaufsichtigt von einem Boy in weißer Tunika, weißen
Hosen und weißen Schuhen. Die Kos erwarteten offenbar Gäste. Er sah weitere
Hausboys eine tabakfarbene Rolls-Royce-Phantom-Limousine waschen. Die lange
Garage war offen, und er zählte einen kombiartigen Chrysler und einen schwarzen
Mercedes, dessen Nummernschild entfernt war, vermutlich im Zuge irgendeiner
Reparaturarbeit. Aber er achtete sorgfältig darauf, den anderen Häusern an der
Headland Road die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken, und er fotografierte drei
davon. Dann fuhr er weiter nach Deep Water Bay, stand am Strand und blickte auf
die kleine Armada der Dschunken und Motorboote im Besitz der Börsianer, konnte
aber die »Admiral Nelson«, Kos berühmte Hochseejacht, nicht entdecken - die
Allgegenwart des Namens Nelson wurde nachgerade drückend. Als er schon aufgeben
wollte, hörte er einen Ruf von drunten, ging einen wackeligen Fußsteig hinab
und sah eine alte Frau in einem Sampan, die zu ihm hinaufgrinste und mit einem
gelben Hühnerbein, an dem sie mit ihrem zahnlosen Gaumen genuckelt hatte, auf
sich selbst wies. Er kletterte an Bord und wies auf die Boote, und sie fuhr ihn
einmal rundum, lachte und sang, während sie skullte, und behielt das Hühnerbein
im Mund. Die »Admiral Nelson« war elegant und schnittig. Drei Boys in weißen Segeltuchanzügen
schrubbten emsig die Verdecke. Jerry versuchte zu berechnen, wie hoch sich Kos
monatliche Haushaltsausgaben, allein für Personalkosten, belaufen mochten. Auf
der Rückfahrt legte er einen Halt ein, um sich das Drake-Ko-Kinderspital
anzusehen, und stellte fest, was immer diese Information wert sein mochte, daß
auch hier alles in erstklassigem baulichen Zustand war. Am folgenden frühen
Vormittag nahm Jerry in der Halle eines vielstöckigen Büropalasts in der
Central Street Aufstellung und studierte die Messingschilder der hier
residierenden Firmen. »China Airsea« nebst Tochtergesellschaften hatten die
drei obersten Stockwerke inne, aber, wie beinah vorauszusehen, fand sich keine
Erwähnung von »Indocharter, Vientiane S. A.«, jenem Unternehmen, das einst
jeden letzten Freitag des Monats fünfundzwanzigtausend US-Dollar in Empfang
nahm.
    In der
Mappe mit den Zeitungsausschnitten in Lukes Büro war auch ein Verweis auf die
Archive des US-Konsulats aufgetaucht. Jerry sprach anderntags dort vor, angeblich
um seine Reportage über die amerikanischen Truppen in Wanchai noch genau
nachzuprüfen. Unter der Aufsicht eines extrem hübschen Mädchens suchte Jerry
eine Weile herum, fischte einiges heraus und entschloß sich dann zu einigen der
ältesten Stücke, Material aus den frühen fünfziger Jahren, als Truman ein
Handelsembargo über China und Nordkorea verhängt hatte. Das Konsulat in
Hongkong hatte Anweisung erhalten, Übertretungen zu melden, und dies war der
Bericht über die Resultate. Die bevorzugte Handelsware war, neben Medikamenten
und Elektroartikeln, Öl gewesen, und die »United States Agencies«, wie sie hier
genannt wurden, waren im großen Stil dahinter hergewesen, hatten Fallen
gestellt, Kanonenboote ausgeschickt, Überläufer und Gefangene verhört und schließlich
den Unterausschüssen von Kongreß und Senat gewaltige Dossiers

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