Carre, John le
regelrechter
Tiefschlag, George. Es wäre eine Hilfe gewesen, ein bißchen vorbereitet zu
sein. Es ist einigermaßen heikel für mich, muß ich
sagen, die Verbindung zu einer Dienststelle zu bilden, die in letzter Zeit so
ziemlich jede Verbindung abgebrochen hat.«
Wilbraham
sagte: »Hört, hört.« Smiley verhielt sich schweigend wie ein Mandarin.
Pretorius von der Konkurrenz runzelte billigend die Stirn.
»Auch
kommt es zu einem ungeschickten Zeitpunkt«, fügte Lacon unheilverkündend hinzu.
»Ich meine, die These, Ihre These allein, ist - wie
soll ich sagen,- gewaltig. Nicht leicht zu schlucken. Nicht leicht zu
verkraften, George.«
Nachdem er
sich so den Rückzug gesichert hatte, tat Lacon, als wolle er behaupten, es
liege vielleicht überhaupt keine Bombe unterm Bett.
»Ich will
versuchen, die Zusammenfassung zusammenzufassen. Darf ich? In dürren Worten,
George. Ein prominenter chinesischer Bürger von Hongkong wird verdächtigt,
russischer Spion zu sein. Das ist doch der Kern der Sache?«
»Es steht
fest, daß er sehr beträchtliche russische Zuwendungen erhält«, korrigierte
Smiley ihn, redete jedoch zu seinen Händen. »Aus einem Geheimfonds, der dazu
dient, Tiefenagenten zu finanzieren?«
»Ja.«
»Ausschließlich
zu deren Finanzierung? Oder hat dieser Fonds noch andere Verwendungszwecke?«
»Soviel
wir wissen, hat er keinerlei anderen Verwendungszweck«, sagte Smiley im
gleichen lapidaren Ton wie vorher.
»Zum
Beispiel - Propaganda, die Verkaufsförderung unter der Hand, Rabatte - diese
Art Zahlungen? Nein?«
»Soviel
wir wissen nein«, wiederholte Smiley.
»Ah, aber
wieviel wissen Sie?« rief Wilbraham vom unteren Tischende. »War in der
Vergangenheit nicht gerade besonders viel, wie?«
»Sie
sehen, worauf ich hinauswill?« fragte Lacon. »Wir würden weit mehr Beweise benötigen«, sagte die Kolonialdame in Braun
mit herzerquickendem Lächeln.
»Wir
auch«, pflichtete Smiley milde bei. Ein paar Köpfe hoben sich überrascht. »Eben
um weiteres Beweismaterial zu erhalten, bitten wir um Rechte und
Genehmigungen.« Lacon ergriff erneut die Initiative.
»Nehmen
wir Ihre These einmal als gegeben an. Ein geheimdienstlicher Fonds, alles so,
wie Sie sagen.« Smiley nickte vage.
»Gibt es
Anhaltspunkte dafür, daß Ko in der Kolonie Wühlarbeit leistet?«
»Nein.«
Lacon warf
einen Blick auf seine Notizen. Guillam fand, daß er fleißig Hausaufgaben
gemacht haben mußte.
»Er
predigt zum Beispiel nicht den Rückzug ihrer Sterlingreserven aus London? Was
uns weitere neunhundert Millionen Pfund in die roten Zahlen bringen würde?«
»Meines
Wissens: nein.«
»Er sagt nicht,
daß wir die Insel räumen sollen. Er zettelt keine Aufstände an oder drängt auf
Verschmelzung mit dem Festland oder hält uns den elenden Vertrag unter die
Nase?«
»Nicht daß
wir wüßten.«
»Er ist
kein Gleichmacher. Er fordert keine einflußreichen Gewerkschaften, oder freies
Wahlrecht, oder Mindestlöhne, oder allgemeine Schulpflicht, oder
Rassengleichheit, oder ein eigenes Parlament für die Chinesen anstelle ihrer
zahmen Körperschaften oder wie immer sie heißen?«
»Legco und
Exco«, schnappte Wilbraham. »Und sie sind nicht zahm.«
»Nein, das
tut er nicht«, sagte Smiley.
»Was tut
er dann?« unterbrach
Wilbraham erregt. »Nichts. Das ist die Antwort. Sie sind völlig auf dem
Holzweg. Jagen Hirngespinsten nach.«
»Ich darf
noch bemerken«, fuhr Lacon fort, als hätte er nichts gehört, »daß er vermutlich
ebensoviel zum Wohle der Kolonie tut wie jeder andere reiche und angesehene
chinesische Geschäftsmann. Oder ebensowenig. Er diniert mit dem Gouverneur,
aber ich glaube nicht, daß er schon einmal den Safe geplündert hat. Er ist in
der Tat nach außen hin so etwas wie ein Prototyp in Hongkong: Steward des
Jockey Club, unterstützt karitative Einrichtungen, ist eine Säule der
integrierten Gesellschaft, erfolgreich, wohltätig, besitzt den Reichtum eines
Krösus und die Geschäftsmoral eines Bordells.«
»Hören
Sie, das ist ein bißchen stark!« protestierte Wilbraham. »Langsam Oliver.
Denken Sie doch an die neuen Sozialbauten.« Wiederum schenkte Lacon ihm keine
Beachtung: »Abgesehen vom Victoriakreuz, einer Kriegsinvalidenrente und dem
Baronstitel ist es daher schwer vorstellbar, wie er ein noch weniger geeignetes
Ziel für die Verfolgung durch einen britischen oder die Anwerbung durch einen
russischen Geheimdienst sein könnte.«
»In meiner
Welt nennen wir das gute Legende«, sagte
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