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Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Eingangstür;
er sah gerade vor sich hin; kannte und sah niemanden. Neben ihm ging Stanley
Rode.
    Er hatte
ein Gesicht, das Smiley beim ersten Anblick nichts sagte, da es weder den
Stempel eines Temperaments noch die ausgeprägten Elemente eines Charakters zu
haben schien; es war ein seichtes, gewöhnliches Gesicht, zur Plumpheit neigend,
ohne Qualität. Es paßte zu seinem gedrungenen, gewöhnlichen Körper und seinem
schwarzen, gewöhnlichen Haar; es trug einen angemessenen Ausdruck von Trauer.
Während Smiley ihn in das Mittelschiff eintreten und seinen Platz unter den
Hauptleidtragenden einnehmen sah, fiel ihm auf, daß Rodes Gang und Haltung
erforgreich etwas durchblicken ließen, was Carne völlig fremd war. Wenn es
vulgär ist, in der Brusttasche der Jacke einen Federhalter zu tragen, einen
Island-Pullover und braune Schlipse zu bevorzugen, beim Gehen etwas
einzuknicken und die Füße auswärts zu drehen, dann war Rode ohne jeden Zweifel
vulgär; denn obwohl er diese Sünden jetzt nicht beging, deutete sein Benehmen
doch auf ihr Vorhandensein hin.
    Sie
folgten dem Sarg auf den Friedhof und versammelten sich um das offene Grab.
D'Arcy und Fielding standen beisammen, offenbar auf die Zeremonie konzentriert.
Die große, ältliche Gestalt, die die Kirche zusammen mit Rode betreten hatte,
war jetzt sichtlich bewegt, und Smiley erriet, daß es Stellas Vater war, Samuel
Glaston. Als die Zeremonie zu Ende war, entfernte sich der alte Mann schnell
von der Menge, nickte Rode kurz zu und verschwand in der Kirche. Er schien beim
Gehen einen Widerstand zu überwinden, wie jemand, der gegen einen starken Wind
ankämpft.
    Die kleine
Gruppe bewegte sich langsam vom Grabe fort, bis nur noch Rode übrig war, eine
seltsame steife Gestalt, gespannt und beherrscht, die Augen geweitet, aber
irgendwie ins Leere blickend, den Mund zum strengen Ausdruck eines Lehrers gestrafft.
    Dann
schien Rode, während Smiley zusah, aus einem Traum zu erwachen; sein Körper
entspannte sich plötzlich, und auch er ging langsam, aber ganz zuversichtlich
vom Grabe zu der kleinen Gruppe, die sich jetzt am Friedhofstor wieder
versammelt hatte. Dabei sah ihn Fielding, in der Ecke der Gruppe, näher kommen
und ging, zu Smileys Überraschung, ganz absichtlich und schnell mit dem
Ausdruck starken Abscheus davon. Es war nicht die berechnete Handlung eines
Mannes, der einen anderen beleidigen wollte, denn sie wurde weder von Rode noch
sonst von einem Umstehenden bemerkt. Wenn einer, dann schien Terence Fielding
von einer echten Gefühlsregung übermannt und gleichgültig dagegen zu sein,
welchen Eindruck er damit hervorrief.
     
    Widerstrebend
näherte sich Smiley der Gruppe. Rode stand ziemlich abseits, die D'Arcys waren
da und drei oder vier Mitglieder des Lehrerkollegiums. Niemand sprach viel.
»Mr. Rode?« erkundigte er sich.
    »Das
stimmt, ja.« Rode sprach langsam, die Spur eines Akzents wurde sorgfältig vermieden.
    »Ich
vertrete Miss Brimley von der »Christlichen Stimmen«
    »Oh, ja.«
    »Sie legte
großen Wert darauf, daß die Zeitschrift vertreten wäre. Ich dachte, Sie würden
das gern wissen.«
    »Ich sah
Ihren Kranz; sehr gütig, ganz gewiß.«
    »Ihre Frau
war eine unserer treuesten Helferinnen«, fuhr Smiley fort. »Wir betrachteten
sie fast als zur Familie gehörig.«
    »Ja, sie
war sehr interessiert an der >Stimme<.«
    Smiley
überlegte, ob Rode immer so passiv war oder ob ihn der Trauerfall gleichgültig
gemacht hatte.
    »Wann sind
Sie eingetroffen?« fragte Rode plötzlich. »Am Freitag.«
    »Machen
ein Wochenende daraus, wie?«
    Smiley war
einen Moment so erstaunt, daß ihm keine Erwiderung einfiel. Rode sah ihn immer
noch antwortheischend an.
    »Ich habe
ein oder zwei Bekannte hier... Mr. Fielding ...«
    »Oh,
Terence.«
    Smiley war
überzeugt, daß Rode mit Fielding nicht auf Duzfuß stand.
    »Ich
möchte, wenn es Ihnen recht ist«, begann Smiley vorsichtig, »gern für Miss
Brimley einen Nachruf schreiben. Hätten Sie etwas dagegen?«
    »Stella
wäre das sehr recht gewesen.«
    »Wenn Sie
nicht zu durcheinander sind, könnte ich vielleicht morgen wegen ein oder zwei
Einzelheiten bei Ihnen vorbeikommen?«
    »Gewiß.«
    »Elf Uhr?«
    »Es wird
mir ein Vergnügen sein«, antwortete Rode fast schnippisch, und sie gingen
zusammen zum Friedhofstor.
     
    DIE TRAUERNDEN
     
    Es war
eine schäbige List, die er da gegen einen Mann anwandte, der plötzlich seine
Frau verloren hatte. Smiley wußte das. Als er behutsam das Tor öffnete und

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