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Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Kauflustigen
umarmen, die ihn in ihrer Ungeduld stoßen und vom Gehsteig drängen. Er könnte
die Beamten, die Polizisten, die Omnibuschauffeure wegen der harten
Gleichgültigkeit ihrer Haltung anbeten.
    Doch diese
Furcht, diese Servilität, diese Abhängigkeit hatten in Smiley ein
Einfühlungsvermögen für die Eigenheit menschlicher Wesen entwickelt: eine
rasche, feminine Empfindsamkeit für ihre Charaktere und Motive. Er kannte die
Menschen wie ein Jäger seine Deckung, wie ein Fuchs den Wald. Denn ein Spion
muß jagen, während er gejagt wird, und die Menge ist sein Revier. Er konnte
ihre Gesten und Worte ablesen, das Zusammenspiel von Blick und Bewegung
vermerken, wie ein Jäger das geknickte Farnkraut, den gebrochenen Zweig
registriert oder wie ein Fuchs die Zeichen der Gefahr entdeckt.
    So war er,
während er geduldig auf Glastons Antwort wartete und sich die
zusammengedrängten Ereignisse der letzten achtundvierzig Stunden in Erinnerung
rief, imstande, sie gelassen zu ordnen und zu prüfen. Was war der Grund von
D'Arcys Haltung gegenüber Fielding, als seien sie widerwillige Teilhaber eines
schäbigen Geheimnisses? Über den verwahrlosten Hotelgarten zur Abtei von Carne
hinüberblickend, konnte er hinter dem Bleidach der Abtei die vertrauten Zinnen
der Schule erkennen: Sie ließen die neue Welt nicht ein und schützten die alte.
Vor seinem geistigen Auge sah er jetzt den großen Hof und die Jungen, die aus
der Kapelle kamen: die schwarz-röckigen Gruppen mit den lässigen Gebärden, die
im England des achtzehnten Jahrhunderts üblich waren. Und er dachte an die
andere Schule neben der Polizeistation: die öffentliche Schule von Carne; ein
kleines, schäbiges Gebäude, wie ein Pförtnerhaus auf einem leeren Friedhof, so
weit entfernt vom Stil von Carne wie sein Back- und Feldstein von den safrangelben
Zinnen der Schulhalle.
    Ja,
überlegte er, Stanley Rode war der öffentlichen Schule in Branxome ganz und gar
entwachsen. Und wenn er seine Frau ermordet hatte, so waren das Motiv - davon
war Smiley überzeugt - und selbst das Mordwerkzeug in diesem mühevollen Gang
nach Carne zu finden.
     
    »Sehr
freundlich von Ihnen, daß Sie gekommen sind«, sagte Glaston, »freundlich von
Miss Brimley, Sie zu schicken. Es sind gute Leute an der >Stimme<; immer
gewesen.« Er sagte dies, als sei »gut« eine absolute Eigenschaft, mit der er
vertraut war.
    »Sie lesen
am besten die Briefe, Mr. Glaston. Der zweite wird sie schockieren, fürchte
ich, aber ich bin sicher, Sie werden mir zustimmen, daß es falsch von mir wäre,
ihn Ihnen nicht zu zeigen.« Sie saßen im Kaffeesalon, die Mammutpflanzen wie
Wächter neben sich.
    Er übergab
Glaston die beiden Briefe, und der alte Mann nahm sie mit fester Hand und las
sie. Er hielt sie beim Lesen ziemlich weit von sich weg, den charaktervollen
Kopf zurückgeworfen, die Augen halb geschlossen, die scharfe Linie seines
Mundes an den Winkeln herabgezogen. Schließlich sagte er:

»Sie waren im Krieg mit Miss
Brimley zusammen, nicht wahr?«
    »Ich habe mit John Landsbury
gearbeitet, ja.«
    »Ich verstehe. Deswegen wandte sie
sich an Sie?«
    »Ja.«
    »Gehören
Sie zur Chapel-Sekte?«
    »Nein.«
    Er schwieg
eine Weile, die Hände im Schoß gefaltet, die Briefe vor sich auf dem Tisch.
    »Stanley
gehörte zur Chapel, als sie heirateten. Dann trat er über. Wußten Sie das?«
    »Ja.«
    »Dort, wo
ich herkomme, im Norden, tun wir das nicht. Unsere Religion war etwas, wofür
wir eintraten und siegten. Fast wie das Stimmrecht.«
    »Ich weiß.«
    Seine
Haltung war gerade, soldatisch. Er sah eher streng als traurig aus. Ganz
plötzlich richtete er seinen Blick auf Smiley und sah ihn lange und aufmerksam
an.
    »Sind Sie
ein Schulmeister?« fragte er, und Smiley fiel ein, daß Samuel Glaston zu seiner
Zeit ein sehr schlauer Geschäftsmann gewesen war.
    »Nein...
Ich habe mich mehr oder weniger zurückgezogen.«
    »Verheiratet?«
    »Ich war es.«
    Wieder
fiel der alte Mann in Schweigen, und Smiley wünschte, er hätte ihn in Ruhe
gelassen.
    »Sie war
eine große Klatschbase«, äußerte er endlich.
    Smiley erwiderte nichts.
    »Haben Sie es der Polizei gesagt?«
    »Ja. Aber
sie wußte schon Bescheid. Das heißt, sie wußte, daß Stella dachte, ihr Mann
werde sie ermorden. Sie hatte versucht, es Mr. Cardew zu sagen...«
    »Dem
Prediger?«
    »Ja. Er
meinte, sie wäre überreizt und... von Wahnvorstellungen verfolgt.«
    »Glauben
Sie, daß sie das nicht war?«
    »Das weiß
ich nicht. Ich weiß es

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