Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
eifrig mit Flüchtlingshilfe. Die
kam erst spät im Jahre 1956 richtig in Gang - die Ungarn fingen damit an, und
dann dieses letzte Jahr...«
    Smiley sah
Rode nachdenklich durch seine Brille an, vergaß sich, zwinkerte und blickte
weg.
    »Nahm sie
großen Anteil an den gesellschaftlichen Vorgängen in Carne? Hat die
Lehrerschaft eine eigene Frauenorganisation und so weiter?« fragte er unschuldig.
    »Sie tat
ein bißchen mit, ja. Aber da sie zur Chapel gehörte, hielt sie hauptsächlich zu
den Chapel-Leuten aus der Stadt... Sie sollten Mr. Cardew danach fragen, er
ist der Prediger.«
    »Aber darf
ich sagen, daß sie auch an Schulangelegenheiten aktiv teilnahm?«
    Rode
zögerte.
    »Ja,
natürlich«, sagte er.
    »Danke.«
    Einen
Augenblick herrschte Schweigen, dann fuhr Smiley fort: »Unsere Leser werden
natürlich Mrs. Rode als Gewinnerin unseres Preisausschreibens für Küchenwinke
in Erinnerung haben. War sie eine gute Köchin, Mr. Rode?«
    »Sehr gut,
in einfachen, nicht in ausgefallenen Sachen.«
    »Gibt es
irgendeine kleine Einzelheit, die Sie besonders erwähnt haben möchten, irgend
etwas, von dem sie selbst gewünscht hätte, daß man sich deswegen an sie
erinnert?«
    Rode sah
ihn mit ausdruckslosen Augen an. Dann zuckte er die Achseln.
    »Nein,
eigentlich nicht. Mir fällt nichts ein. Oh, Sie könnten sagen, daß ihr Vater
oben im Norden Friedensrichter war. Darauf war sie stolz.«
    Smiley
trank seinen Kaffee aus und stand auf.
    »Sie haben
mir sehr viel Zeit gewidmet, Mr. Rode. Wir sind Ihnen sehr dankbar, versichere
ich Ihnen. Ich werde dafür sorgen, daß Sie ein Vorausexemplar unseres Berichtes
bekommen...«
    »Danke.
Ich tat es für sie, wissen Sie. Sie mochte die >Stimme< schon immer.
Wuchs mit ihr auf.«
    Sie
reichten einander die Hand.
    »Übrigens,
wissen Sie, wo ich den alten Mr. Glaston antreffen könnte? Bleibt er noch in
Carne, oder ist er schon nach Branxome zurückgereist?«
    »Er war
gestern hier. Er fährt heute nachmittag nach Branxome zurück. Die Polizei wollte
ihn vor seiner Abreise noch sprechen.«
    »Ach so.«
    »Er wohnt
im >Sawley<.«
    »Danke.
Ich könnte versuchen, ihn zu treffen, bevor ich wegfahre.«
    »Wann
reisen Sie denn ab?«
    »Ziemlich
bald, denke ich. Adieu, Mr. Rode. Übrigens -«
    »Ja?«
    »Wenn Sie
je in London sind und nicht wissen, was Sie anfangen sollen, wenn Sie den
Wunsch nach einem Tratsch verspüren... und nach einer Tasse Tee, werden wir uns
immer freuen, Sie in der >Stimme< zu sehen. Immer.«
    »Danke.
Vielen Dank, Mr - «
    »Smiley.«
    »Danke,
das ist sehr freundlich. Das hat mir seit langem niemand gesagt. Ich werde Sie
eines Tages beim Wort nehmen. Sehr nett von Ihnen.«
    »Auf
Wiedersehen.« Wieder schüttelten sie einander die Hand; Rodes Hand war trocken
und kühl. Glatt.
     
     
    Er kehrte
zum »Sawley Arms« zurück, setzte sich in der leeren Hotelhalle an einen Tisch
und schrieb einen Brief an Mr. Glaston:
     
    Sehr
geehrter Mr. Glaston,
    ich bin im
Auftrag von Miss Brimley von der »Christlichen Stimme« hier. Ich habe einige
Briefe von Stella, von denen ich annehme, daß Sie sie vielleicht sehen möchten.
Verzeihen Sie, daß ich Sie in diesem traurigen Augenblick behellige; wie ich
höre, verlassen Sie Carne heute nachmittag, und ich möchte fragen, ob ich Sie
vielleicht vor Ihrer Abreise sprechen könnte.
    Er
verschloß den Umschlag sorgfältig und trug den Brief zum Rezeptionspult. Dort
war niemand, er klingelte also und wartete. Endlich kam der Portier; wie ein
alter Gefangenenaufseher mit einem grauen, stoppeligen Gesicht sah er aus.
Nachdem er den Umschlag lange und kritisch geprüft hatte, war er für ein übertriebenes
Trinkgeld bereit, ihn in Mr. Glastons Zimmer zu befördern. Smiley blieb am
Pult und erwartete seine Antwort.
     
    Smiley war
einer von jenen Einzelgängern, die vollkommen entwickelt mit achtzehn Jahren
auf die Welt gekommen zu sein schienen. Ein zurückgezogenes Dasein entsprach
sowohl seiner Natur als auch seinem Beruf. Die Nebenwege der Spionage werden
nicht von den lauten und farbenfrohen Abenteurern der Unterhaltungsliteratur
bevölkert. Ein Mann, der wie Smiley jahrelang unter den Feinden seines Landes
gearbeitet hat, lernt nur ein Gebet: daß man nie, nie auffallen möge. Anpassung
ist sein höchstes Ziel. Er lernt die Menschenmassen lieben, die an ihm auf der
Straße ohne einen Blick vorübergehen; er hängt sich an sie um seiner Anonymität
und Sicherheit willen. Seine Furcht macht ihn servil - er könnte die

Weitere Kostenlose Bücher