Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)
hinter den treibenden Schleiern wehenden
Schnees zwei niedrige Gebäude etwa vierhundert Meter entfernt erkennen. Als er
hinsah, kam eine große, vermummte Gestalt die Straße entlang auf sie zu.
»Das ist
Ted Mundy«, sagte Rigby zufrieden. »Ich habe ihm gesagt, er soll hier sein. Er
ist der Sergeant von Okeford.« Er lehnte sich aus dem Wagenfenster und rief
fröhlich:
»Hallo,
Ted, du alter Geier, wie steht's?« Er öffnete die hintere Tür des Wagens, und
der Sergeant stieg ein. Smiley und Mundy wurden kurz vorgestellt.
»In der
Kirche ist Licht«, sagte Mundy, »aber ich weiß nicht, ob Janie da ist. Ich kann
im Dorf niemanden fragen, oder ich hätte die ganze Bande um mich versammelt.
Sie dachten, sie wäre endgültig fortgegangen.«
»Schläft
sie denn da, Ted? Hat sie da ein Bett oder so was?« fragte Rigby, und Smiley
bemerkte mit Wohlgefallen, daß sein Dorset-Akzent deutlicher war, wenn er mit
Mundy sprach.
»So sagt
man, Bill. Ich konnte kein Bett finden, als ich letzten Samstag reinschaute.
Aber ich will dir etwas Merkwürdiges erzählen, Bill. Es sieht so aus, als ob
Mrs. Rode hier manchmal raufgekommen ist zu der Kapelle, um Janie zu besuchen.«
»Ich habe
davon gehört«, sagte Rigby kurz. »Nun, wo liegt die Kirche?«
Ȇber dem
Berg«, sagte Mundy. »Außerhalb vom Dorf, in einer Koppel.« Er wandte sich an
Smiley. »Das ist hier herum ganz üblich, Sir, wie Sie wohl wissen.« Mundy sprach
sehr langsam und wählte bedachtsam seine Worte. »Sehen Sie, als sie hier die
Pest hatten, ließen sie ihre Toten in den Dörfern und zogen davon; aber nicht
weit, wegen ihres Landes und der Kirche. Schrecklich war das, schrecklich.«
Irgendwie bekam Mundy es fertig, den Eindruck zu vermitteln, als sei der
Schwarze Tod eine noch nicht weit zurückliegende, wenn nicht gar im Gedächtnis
der Lebenden bewahrte Katastrophe.
Sie
stiegen aus dem Auto, die Türen gegen den starken Wind aufstemmend, und machten
sich auf den Weg zum Dorf, Mundy voran und Smiley als dritter. Der feine und
harte Treibschnee stach ihnen ins Gesicht. Hoch auf dem weißen Berg war es in
einer solchen Nacht ein unheimlicher Gang. Die Krümmung des kahlen Berggrates,
das Heulen des Windes, die Schneewolke, die rasch über den Mond zog, die
elenden, unbeleuchteten Hütten, an denen sie vorsichtig vorbeigingen, gehörten
einer anderen Welt an.
Mundy
führte sie scharf nach links, und Smiley vermutete, daß er durch Vermeidung der
Dorfmitte der Aufmerksamkeit seiner Bewohner zu entgehen hoffte. Nach einer
Wanderung von etwa zwanzig Minuten, oft durch tiefen Schnee, folgten sie einer
niedrigen Hecke zwischen zwei Feldern. In der äußersten Ecke des Feldes zur
Rechten sahen sie ein fahles Licht über den Schnee schimmern, so fahl, daß
Smiley zuerst den Blick abwenden und dann wieder auf die lange Zeile jener
fernen Hecke richten mußte, um sich zu überzeugen, daß er nicht einer Täuschung
unterlegen war. Rigby blieb stehen und winkte den anderen.
»Ich übernehme
das jetzt«, sagte er. Er wandte sich an Smiley. »Ich wäre dankbar, Sir, wenn
Sie etwas abseits bleiben würden. Sollte es irgendwelche Unannehmlichkeiten
geben, möchten wir Sie nicht gern darin verwickelt haben, nicht wahr?«
»Selbstverständlich.«
»Ted
Mundy, du kommst zu mir.«
Sie
folgten der Hecke, bis sie zu einem Zauntritt kamen. Durch die Lücke in der
Hecke sahen sie die Kirche jetzt deutlich, ein niedriges Bauwerk, mehr eine
Scheune als eine Kirche. An einem Ende kam ein fahler Schimmer, wie das
ungewisse Licht einer Kerze, verschwommen durch die bleigefaßten Fenster.
»Sie ist
da«, flüsterte Mundy. Er und Rigby gingen weiter, Smiley folgte in einigem
Abstand.
Sie
überquerten jetzt das Feld, Rigby voran; die Kirche rückte immer näher. Neue
Geräusche übertönten das Ächzen des Sturms; das trockene Knarren einer Tür,
das Knistern eines verfallenden Daches, das unaufhörliche Windseufzen über
einem sterbenden Haus. Die beiden Männer vor Smiley waren stehengeblieben,
fast im Schatten der Kirchenmauer, und flüsterten miteinander. Dann ging Mundy
leise davon und verschwand um die Ecke der Kirche. Rigby wartete einen Moment,
näherte sich dann dem niedrigen Eingang an der Rückwand und schob die Tür auf.
Sie ging
langsam auf und quietschte dabei gequält in den Angeln. Dann verschwand er in
der Kirche. Smiley wartete draußen; plötzlich hörte er über allen
Nachtgeräuschen einen Schrei, so beklommen, schrill und klar, daß er keinen
Ursprung zu
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