Carte Blanche - Ein Bond-Roman
Interesse, ihr beizutreten?«
»Ja«, erwiderte Bond, ohne zu zögern. »Obwohl ich gern wissen würde: Was genau macht sie eigentlich?«
Der Admiral überlegte kurz, als bemühe er sich um eine möglichst geschliffene Antwort. »Unsere Mission ist einfach«, sagte er dann. »Wir schützen das Königreich … was auch immer zu diesem Zweck nötig ist.«
7
Bond näherte sich in seinem schnittigen, leise schnurrenden Bentley nun dem Hauptquartier der besagten Organisation in der Nähe von Regent’s Park. Die dank der Verkehrsführung unerlässliche Zickzackfahrt durch Londons Innenstadt hatte eine halbe Stunde gedauert.
Der Name seines Arbeitgebers war fast so vage wie der der Special Operations Executive: die Overseas Development Group. Ihr Generaldirektor war der Admiral, nur bekannt als M.
Formell unterstützte die ODG britische Firmen dabei, im Ausland Filialen zu gründen oder zu erweitern oder Investitionen zu tätigen. Bonds OT – oder offizielle Tarnung – war eine Anstellung als Sicherheits- und Integritätsanalytiker, zu dessen Aufgaben zählte, die Welt zu bereisen und Geschäftsrisiken zu bewerten.
Sobald er am jeweiligen Zielort eingetroffen war, nahm er allerdings stets eine IOT – oder inoffizielle Tarnung – mit einer fiktiven Identität an, legte die Excel-Tabellen beiseite, streifte die Einsatzkleidung über und bewaffnete sich mit einem Gewehr Kaliber 308 samt Zielfernrohr. Es konnte auch sein, dass er sich in einen fein geschnittenen Savile-Row-Anzug hüllte, um in einem Privatclub in Kiew Poker mit einem tschetschenischen Waffenhändler zu spielen und sich einen Eindruck von dessen Leibwächtern zu verschaffen, bevor er zum wahren Grund des Besuchs kam: der Auslieferung des Mannes an ein geheimes Verhörzentrum in Polen.
Die ODG war unauffällig in die Hierarchie des Foreign and Commonwealth Office, also des Außenministeriums eingegliedert und in einem schmalen sechsgeschossigen edwardianischen Gebäude in einer Nebenstraße untergebracht, die von der Devonshire Street abzweigte. Zwischen ihr und der geschäftigen Marylebone Road lagen farblose – aber tarnende – Anwaltskanzleien, Arztpraxen und Büros von Nichtregierungsorganisationen.
Bond bog in den Tunnel ein, der zu der Tiefgarage unter dem Gebäude führte. Er blickte in den Irisscanner und wurde danach ein zweites Mal überprüft, diesmal durch einen Menschen. Die Barriere senkte sich, und Bond suchte sich einen Parkplatz.
Auch der Aufzug kontrollierte Bonds blaue Augen, bevor er ihn ins Erdgeschoss brachte. Dort betrat Bond die Waffenkammer neben dem Schießstand und händigte die verschlossene Stahlkassette an den rothaarigen Freddy Menzies aus, ehemals Corporal beim SAS und einer der besten Waffenmeister der Branche. Er würde sicherstellen, dass die Walther gereinigt, geölt und auf Schäden überprüft wurde und dass die Magazine Bonds bevorzugte Munition enthielten.
»In einer halben Stunde ist sie fertig«, sagte Menzies. »Hat sie sich gut benommen, 007?«
»Ich kann nicht klagen«, entgegnete Bond.
Er fuhr in den dritten Stock, bog aus dem Aufzug nach links ab und folgte einem schmucklosen, weiß gestrichenen Korridor mit vereinzelten Schrammen an den Wänden. Die Monotonie wurde durch einige Drucke aufgelockert. Sie zeigten London in der Zeit zwischen Cromwell und Viktoria sowie zahlreiche Schlachtfelder. Jemand hatte Töpfe mit Grünpflanzen auf die Fensterbänke gestellt – natürlich Plastikpflanzen, denn echtes Grünzeug hätte externes Personal zum Gießen und Beschneiden bedeutet.
Am Ende eines weiträumigen Bereichs mit mehreren Computerarbeitsplätzen saß eine junge Frau an einem Schreibtisch. Wie außergewöhnlich, hatte Bond einen Monat zuvor bei ihrem ersten Zusammentreffen gedacht. Ihr Gesicht war herzförmig, mit hohen Wangenknochen und umrahmt von Rossetti-rotem Haar, das von ihren fabelhaften Schläfen bis weit über ihre Schultern wogte. Am Kinn hatte sie ein winziges, nicht ganz mittig gelegenes Grübchen, das Bond absolut bezaubernd fand. Ihre haselnussbraunen Augen blickten aufmerksam drein, und ihre Figur entsprach ganz Bonds Geschmack: schlank und elegant. Die unlackierten Fingernägel waren kurz geschnitten. Heute trug sie einen knielangen schwarzen Rock und eine aprikosenfarbene hochgeschlossene Bluse, die aber dünn genug war, um die Spitze darunter erahnen zu lassen. Auf diese Weise gelang es ihr, gleichzeitig geschmackvoll und aufreizend auszusehen. Ihre Beine waren in
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