Carte Blanche - Ein Bond-Roman
trug sie wahrscheinlich auch nicht mehr.
»Was war der Grund?«, fragte er.
»Ich schätze, da kommen immer mehrere Sachen zusammen. Es hat zwischen den beiden schon seit einer ganzen Weile gekriselt, und das nicht nur vorübergehend. Er hat sich aufgeregt, dass sie zu schnell fährt und zu viel arbeitet. Sie hat ein großes Familienfest bei seinen Eltern verpasst. Und dann wurde ihm aus heiterem Himmel ein Posten in Singapur oder Malaysia angeboten. Er hat zugesagt. So kam eins zum anderen – und das, nachdem die beiden schon drei Jahre zusammen waren …«
»Tut mir leid, das zu hören.«
Die weitere Erörterung des Dramas endete jedoch, weil die betreffende Person eintraf.
Philly merkte gar nicht, wie still es wurde, als sie Bonds Büro betrat. Sie ging lächelnd an Goodnight vorbei und nahm unbeschwert auf einem der Stühle Platz. Ihr sinnliches Gesicht wirkte schmaler als üblich, und ihr funkelnder Blick war der einer Jägerin, die eine glasklare Fährte aufgenommen hatte. Sie sah dadurch sogar noch schöner aus. Ein Wochenende in Spanien mit einer Horde alberner Brautjungfern? Er konnte sich das einfach nicht vorstellen. Ebenso wenig sah er sie mit zwei Einkaufstüten in der Hand auf dem Heimweg vom Supermarkt, um ihrem Mann Tim und den Kindern Matilda und Archie ein herzhaftes Abendessen zuzubereiten.
Genug!, tadelte er sich und konzentrierte sich auf das, was sie zu sagen hatte. »Unser Labor konnte einen der verkohlten Fetzen leserlich machen. Die Worte lauteten ›der Gehenna-Plan‹. Und darunter ›Freitag, 20. Mai‹.«
»Gehenna? Das klingt vertraut, aber ich kann es nicht einordnen.«
»Es wird in der Bibel erwähnt. Ich kümmere mich noch darum. Bis jetzt habe ich ›Gehenna-Plan‹ bloß durch die Datenbanken der Sicherheits- und Polizeibehörden gejagt, aber ohne Erfolg.«
»Was ist mit dem anderen Stück Asche?«
»Das war noch stärker beschädigt. Unsere Leute konnten die Begriffe ›Termin‹ und ›fünf Millionen Pfund‹ erkennen, sonst nichts. Sie haben das Ding an die Specialist Crimes beim Yard geschickt, streng vertraulich natürlich. Ich erhalte heute Abend Bescheid.«
»›Termin‹ … und ein Honorar oder eine Anzahlung von fünf Millionen für den Anschlag oder was auch immer es sein soll. Das deutet darauf hin, dass Noah es für Geld tut, nicht aus politischen oder ideologischen Motiven.«
Sie nickte. »Was die Sache in Serbien angeht: Mein Trick mit Ungarn hat nicht geklappt. Die Leute in Belgrad sind wirklich sauer auf Sie, James. Aber ich habe mir von Ihrer Abteilung I eine Identität als EU -Mitarbeiterin verschaffen lassen – als Leiterin des Untersuchungsausschusses für die Sicherheit im Transportwesen.«
»Was, zum Teufel, ist das denn?«
»Habe ich mir ausgedacht. Mein schweizerisch-französischer Akzent ist übrigens gar nicht mal schlecht, möchte ich unbescheiden anmerken. Die Serben überschlagen sich förmlich, um der Europäischen Union zu Diensten zu sein. Sie werden sich so schnell wie möglich mit weiteren Einzelheiten über Karic zurückmelden und mir ausführlich von dem Gefahrgut im Zug berichten.«
Philly war Gold wert.
»Die Zentrale der Eastern Demolition ist in Slough. Bei der Ausschreibung für den Abriss des Armeestützpunkts in March haben sie das günstigste Angebot abgegeben.«
»Ist das eine Aktiengesellschaft?«
»Nein, ein Privatunternehmen. Es ist Teil einer Holding, ebenfalls privat: Green Way International. Der Laden ist ganz schön groß und in einem halben Dutzend Ländern tätig. Er gehört zu hundert Prozent einem Mann namens Severan Hydt.«
»Heißt der allen Ernstes so?«
Sie lachte. »Ich habe mich auch erst gefragt, was seine Eltern sich dabei gedacht haben. Doch wie es scheint, hat er seinen Namen mit Mitte zwanzig offiziell ändern lassen.«
»Und davor hieß er?«
»Maarten Holt.«
»Von Holt zu Hydt«, grübelte Bond. »Das leuchtet mir zwar nicht ein, aber es ist auch kein so großer Unterschied. Doch Maarten zu Severan? Was hat ihn da bloß geritten?«
Sie zuckte die Achseln. »Green Way ist ein riesiger Abfall- und Recyclingbetrieb. Die Lastwagen sind Ihnen bestimmt schon oft begegnet, auch wenn Sie sich im ersten Moment nicht daran erinnern können. Ich konnte nicht allzu viel herausfinden, da der Laden sich in Privatbesitz befindet und Hydt die Presse meidet. In der Times stand mal, er sei der reichste Lumpensammler der Welt. Der Guardian hat vor einigen Jahren einen recht wohlwollenden Artikel über ihn
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