Carte Blanche - Ein Bond-Roman
auszuleihen.
Laut der digitalen Karte, die zwischen der Geschwindigkeits- und der Flughöhenanzeige auf einem Monitor eingeblendet wurde, befanden sie sich derzeit über dem Iran. Bis zur Landung in Dubai blieben noch zwei Stunden.
Gleich nach dem Start hatte Bond bei Bill Tanner angerufen, sein Reiseziel mitgeteilt sowie von den für neunzehn Uhr geplanten neunzig Morden berichtet, mutmaßlich in Dubai, vielleicht aber auch andernorts in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
»Wieso will Hydt so viele Leute umbringen?«, hatte der Stabschef gefragt.
»Ich bin mir nicht sicher, dass er das eigenhändig erledigt, aber sie sollen sterben, und er wird zugegen sein.«
»Ich teile unseren Botschaften in der Region über diplomatische Kanäle mit, dass es eine Bedrohung gibt, wir aber nichts Konkretes wissen. Die Behörden in Dubai werden ebenfalls davon erfahren, allerdings inoffiziell.«
»Erwähnen Sie Hydts Namen nicht. Er muss ungehindert einreisen können und darf keinen Verdacht schöpfen. Ich muss herausfinden, was er vorhat.«
»Sehe ich auch so. Wir regeln das diskret.«
Dann hatte er Tanner gebeten, im Golden Wire nach etwaigen Verbindungen zwischen Hydt und den Emiraten zu suchen; womöglich ließe sich daraus auf einen Ort schließen. Es vergingen einige Minuten. »Er verfügt in der Region weder über Büros noch über Wohnadressen oder Geschäftsbeziehungen«, hatte Tanner sich zurückgemeldet. »Und es ist auch kein Hotelzimmer auf seinen Namen reserviert. Das habe ich bei der Gelegenheit gleich mit überprüft.«
Damit hatten sie das Gespräch beendet. Bond war unzufrieden. Sobald Hydt landete, würde er sich unter die zweieinhalb Millionen Einwohner des Emirats mischen und nicht mehr rechtzeitig vor dem abendlichen Termin aufzuspüren sein.
Die Flugbegleiterin kam zurück. »Wir haben eine Vielzahl von Gerichten anzubieten, aber da der Dom Ihnen so gut gefallen hat, habe ich eine dazu passende Mahlzeit für Sie ausgewählt. Mr. Kharaz sagte, Sie seien fürstlich zu bewirten.« Sie stellte ein silbernes Tablett neben dem Champagnerkelch ab, den sie zudem nachfüllte. »Ich habe Ihnen iranischen Kaviar gebracht, selbstverständlich Beluga, dazu Toast – keine Blini –, Crème fraîche und Kapern.« Die Kapern waren so groß, dass sie sie aufgeschnitten hatte. »Die geraspelten Zwiebeln sind amerikanische Vidalia, die süßeste Sorte der Welt. Sie sind außerdem sanft zum Atem. Bei uns heißen sie ›Zwiebeln der Liebenden‹. Als Hauptgang gibt es Ente in Aspik mit Minzjoghurt und Datteln. Ich kann Ihnen aber auch ein Steak braten.«
Er lachte. »Nein, nein. Das ist mehr als genug.«
Sie zog sich zurück. Nachdem Bond aufgegessen hatte, trank er zwei kleine Tassen des mit Kardamom gewürzten arabischen Kaffees und las derweil die Unterlagen, die Philly Maidenstone über Hydt und Green Way zusammengestellt hatte. Zwei Dinge fielen ihm besonders auf: dass der Mann sorgfältig darauf geachtet hatte, nicht mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung zu kommen, und Hydts nahezu fanatische Anstrengungen, mit seiner Firma weltweit zu expandieren. Allein in letzter Zeit hatte er entsprechende Lizenzen in Südkorea, China, Indien, Argentinien und einem halben Dutzend kleinerer Länder beantragt. Bond war enttäuscht, dass sich nirgendwo ein Hinweis auf die Identität des Iren fand. Philly hatte die Fotos des Mannes und der älteren Frau durch diverse Datenbanken gejagt, aber keine Übereinstimmung gefunden. Und Bill Tanner hatte berichtet, die Agenten und Beamten von MI5 , SOCA und den Specialist Crimes, die sofort nach Gatwick beordert worden waren, hätten leider feststellen müssen, dass alle Unterlagen über die Passagiere der Grumman »anscheinend verschwunden« seien.
Da erreichte ihn noch eine beunruhigende Nachricht, eine verschlüsselte E-Mail von Philly. Wie es schien, hatte jemand inoffiziell bei Six angefragt, wo Bond sich aufhielt und wie seine geplante Reiseroute aussah.
Bei dem »Jemand« handelte es sich vermutlich um Bonds lieben Freund Percy Osborne-Smith. Genau genommen fiel Dubai gar nicht in den Zuständigkeitsbereich der Division Three, aber das hieß nicht, dass der Mann ihm nicht eine Menge Schwierigkeiten bereiten und sogar seine Tarnung würde auffliegen lassen können.
Bond kannte keinen der Leute, die für Six in Dubai arbeiteten. Er musste aber davon ausgehen, dass das für Osborne-Smith nicht galt. Das bedeutete, dass Bond vor Ort doch nicht auf britische
Weitere Kostenlose Bücher