Carte Blanche - Ein Bond-Roman
zu Boden.
Sein jüngerer Kollege nahm an, dass der Mann hinter dem Rucksack gefeuert hatte, und entleerte seine automatische Waffe in den Leichnam des Lokführers.
» Opasnost! «, rief Bond.
Aber es war zu spät. Der Ire beugte sich erneut aus dem Führerhaus und schoss dem jüngeren Agenten oberhalb des Ellbogens in den rechten Arm. Der Serbe ließ schreiend die Waffe fallen und kippte nach hinten.
Während der Ire vom Zug sprang, gab er ein halbes Dutzend Schüsse auf Bond ab, der das Feuer erwiderte und dabei die Füße und Knöchel anvisierte. Doch die Rauch- und Staubschwaden waren immer noch dicht, und er verfehlte sein Ziel. Der Ire steckte die Waffe ein, schulterte den Rucksack und zerrte den jüngeren Agenten in Richtung des Mercedes. Sie verschwanden außer Sicht.
Bond lief zurück zu dem Jetta, sprang hinein und fuhr los. Wenig später schoss er über eine Hügelkuppe und landete schlitternd auf dem Feld hinter dem Restaurant Roštilj. Es herrschte absolutes Chaos. Personal und Gäste flohen panisch. Der Mercedes war weg. Bond schaute zurück zu dem entgleisten Zug. Der Ire hatte nicht nur den älteren Agenten getötet, sondern auch seinen eigenen Komplizen – den Serben, mit dem er zu Abend gegessen hatte. Der Mann lag noch immer gefesselt auf dem Bauch. Der Ire hatte ihn einfach erschossen.
Bond stieg aus dem Wagen und filzte den Toten, aber der Ire hatte dem Mann die Brieftasche und auch alles andere abgenommen. Bond zog seine Sonnenbrille aus der Tasche, wischte sie sauber und presste Daumen und Zeigefinger des Leichnams auf die Gläser. Er kehrte zum Jetta zurück und nahm die Verfolgung des Mercedes auf, raste mit hundertzehn Kilometern pro Stunde über die gewundene Straße voller Schlaglöcher.
Nach einigen Minuten sah er in einer Parkbucht etwas Helles liegen. Er stieg auf die Bremse, konnte mit Mühe das Ausbrechen des Hecks verhindern und hielt an. Der Wagen wurde vom Qualm der eigenen Reifen eingehüllt. Am Straßenrand lag der jüngere Agent. Bond stieg aus und beugte sich über den zitternden und jammernden Mann. Die Schussverletzung am Arm war ernst, und er hatte viel Blut verloren. Einer seiner Schuhe fehlte, desgleichen ein Zehennagel. Der Ire hatte ihn gefoltert.
Bond klappte sein Messer auf, schnitt mit der rasiermesserscharfen Klinge einen Streifen vom Hemd des Mannes ab, nahm einen Zweig vom Wegesrand und drehte damit den Wollstreifen immer enger, um den Oberarm abzubinden. Dann beugte er sich vor und wischte dem Serben den Schweiß von der Stirn. »Wo ist er hin?«
Keuchend und mit schmerzverzerrter Miene plapperte der Verwundete auf Serbokroatisch los. Dann begriff er, wer Bond war. »Verständigen Sie meinen Bruder … Sie müssen mich ins Krankenhaus bringen, dann nenne ich Ihnen einen Ort.«
»Ich muss wissen, wo er ist.«
»Ich habe nichts verraten. Er hat es versucht. Aber ich habe nichts über Sie gesagt.«
Der Junge hatte mit Sicherheit alles ausgeplaudert, was er über die Operation wusste, aber das war jetzt nicht das Thema. »Wo ist er hin?«, wiederholte Bond.
»Das Krankenhaus … Bringen Sie mich hin, und ich sage Ihnen, wo er ist.«
»Reden Sie, oder Sie sind in fünf Minuten tot«, erwiderte Bond ruhig und löste die Aderpresse am rechten Arm des jungen Mannes. Blut schoss hervor.
Der Serbe blinzelte. Er hatte Tränen in den Augen. »Also gut! Scheißkerl! Er hat gefragt, wie er von der M-21, der Schnellstraße, zur E-75 kommt, der Autobahn. Die führt nach Ungarn. Er will nach Norden. Bitte!«
Bond band den Arm wieder ab. Er wusste natürlich, dass der Ire nicht nach Norden unterwegs war; der Mann war ein skrupelloser, schlauer Taktiker und brauchte nicht nach dem Weg zu fragen. Bond sah in dem Iren die eigene Hingabe an das Handwerk widergespiegelt. Noch vor seiner Ankunft in Serbien würde der Mann sich die Umgebung von Novi Sad in allen Einzelheiten eingeprägt haben. Und er würde auf der M-21, der einzigen größeren Straße in der Nähe, nach Süden fahren. Sein Ziel dürfte Belgrad oder ein vorbereiteter Ort zur Evakuierung sein.
Bond klopfte die Taschen des jungen Agenten ab, nahm dessen Mobiltelefon und wählte die 112, den Notruf. Als eine Frau sich meldete, legte er das Telefon neben den Mund des Mannes und rannte zurück zu dem Jetta. Dann erforderte die unebene Straße bei hoher Geschwindigkeit seine volle Aufmerksamkeit, und er konzentrierte sich aufs Bremsen und Lenken.
Er raste in eine Kurve, und der Wagen rutschte über die weiße
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