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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Schlimmsten zu rechnen. David Wlassow war, auf irgendeine Weise, in einen Mord verstrickt. Und plötzlich nicht auffindbar. Eine harmlose Erklärung ließ das nicht mehr zu.
    Geistesabwesend drückte sie auf die Wiedergabetaste des Anrufbeantworters. Paul Bremer war auf dem Band, bedankte sich für den schönen Abend mit ihr. Wann war das gewesen? Letzten Donnerstag? Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor.
    Der junge Kollege, mit dem sie am Freitag zusammengesessen hatte, bat sie mit geölter Stimme um ein weiteres Treffen. »Mich hat das alles sooo sehr beschäftigt, was Sie mir mitgeteilt haben …«
    »Vollidiot«, sagte Karen laut.
    »Wo steckst du denn?« Wieder Paul, er machte einen angesäuselten Eindruck. »Laß uns reden. Laß uns über die Liebe reden!«
    »Bloß nicht«, stöhnte Karen.
    »Karen, deine Bücher sind da. Du kannst sie jederzeit abholen.« Das war Ruth Meves von der kleinen Buchhandlung, bei der Karen ihre Krimis bestellte.
    Anruf Nummer fünf. Gregor Kosinski aus Bad Moosbach, soldatisch knapp, bat um einen Rückruf. Er hätte gern die eine oder andere neue Erkenntnis in Sachen Leo Matern mit ihr diskutiert.
    Der nächste Anrufer hatte ihren Telefonapparat mit einem Faxgerät verwechselt. Dreimal sendete das Faxgerät auf der Gegenseite seine Lockrufe aus, bis es endlich aufgab.
    »Karen«, sagte eine Stimme, gefolgt von einem tiefen Seufzer und dem Geräusch, das ein Hörer macht, wenn er sanft, aber entschieden wieder aufgelegt wird. David.
    »Verflixt!« Karen fluchte. Er mußte heute morgen angerufen haben, als sie nach durchwachter Nacht für gerade mal drei Stunden wieder eingeschlafen war. Ausgerechnet.
    »Wir müssen über die Liebe reden –«
    »Nein, Paul«, stöhnte Karen entnervt. »Nicht schon wieder.«
    »– aber jetzt melde ich mich erstmal wieder ab aufs Land.« Pause. »Du hattest recht, Karen. Wahrscheinlich hast du recht.« Womit? Sie erinnerte sich nicht. Es interessierte sie auch nicht.
    Der nächste Anrufer hatte zögernd wieder aufgelegt, ohne eine Botschaft zu hinterlassen.
    Und das hier war, wenn sie richtig mitgezählt hatte, der zwölfte Anruf.
    »Ich kenne Leo Matern. Oder sollte ich sagen: Ich kannte ihn?« Karen stockte der Atem. »Ich hätte dir alles gern erklärt. Alles, von Anfang an.« Die weiche Stimme klang gequält. »Ich habe dich angerufen. Ich habe vor deiner Haustür gestanden und bei dir geklingelt.« Wann war er dagewesen? Als sie noch schlief? Als sie durch den Park gelaufen war? »Verflixt, verflixt, verflixt!« Karen biß sich auf den Daumen – fest. »Ich habe dir den Briefumschlag in den Kasten geworfen. Alles wird darin erklärt« – die Stimme wurde drängender – »was ich dir jetzt nicht mehr sagen kann.«
    Karen ließ die Aufnahmekassette aus der Maschine herausspringen, riß die Wohnungstür auf und lief die Treppe herunter zum Briefkasten. Sie öffnete das dicke Paket, voller Ungeduld, mit einem bloßen Minimum an professioneller Vorsicht. Es enthielt viele Seiten – normales Schreibmaschinenpapier, engbeschrieben, handschriftlich, mit Bleistift, registrierte sie. Und Fotos. Karen blätterte die Fotos flüchtig durch, hielt die Luft an beim Anblick der letzten Aufnahme und rannte wieder hoch. Zum Telefon. Gregor Kosinski, sagte man ihr auf seiner Polizeidienststelle, sei unterwegs. Zum Weiherhof, wie der Polizist am anderen Ende der Leitung schließlich mitteilte – widerwillig und erst, als sie ihm mit dienstlichen Konsequenzen drohte. Sie nahm die Kassette aus dem Anrufbeantworter und warf sie zusammen mit dem Briefumschlag in ihre große Handtasche. Den Rest auf dem Band würde sie sich im Auto anhören. Auf dem Weg in die Rhön. Sie schloß die Wohnungstür zweimal ab, rannte wieder die Treppe herunter, holte ihr Auto aus der Garage und fuhr los. Als sie auf der Autobahn war, schob sie die Kassette in ihre Stereoanlage.
    Gott sei Dank, dachte sie hinterher, war es nicht weit gewesen bis zum nächsten Parkplatz. Den war sie fast im Schrittempo angefahren: Ihr war schlecht. Und ihre Knie zitterten – so, daß sie glaubte, nicht mehr weiterfahren zu können. Sie ließ das Auto ausrollen und spulte das Band zurück. Um es sich noch einmal anzuhören. Bis zum Schluß. Und dann noch einmal. Den Kopf auf das Lenkrad gelegt. Die Fäuste geballt. Innerlich erstarrt vor Entsetzen.
    Als ihr die Tränen über das Gesicht liefen, wußte sie nicht, warum sie weinte. Vor Wut? Vor Mitgefühl? Oder aus Selbstmitleid? Karen Stark hatte sich noch

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