Caruso singt nicht mehr
Und nützte es vielleicht etwas? Nahm die Präsenz dieser paramilitärisch auftretenden Sicherheitsdienste den Menschen wenigstens ihre Angst? Mitnichten. Wo Sicherheitsdienste waren, glaubten die meisten, ging es auch besonders gefährlich zu. Weitere Aufrüstungsmaßnahmen waren die Folge. Die Konjunktur all derer, die mit Sicherheit ihre Geschäfte machten, war ungebrochen.
Daß Matern mit Frankfurt zu tun hatte, erweiterte natürlich, da hatten die Kollegen recht, das mögliche Täterspektrum. Frankfurt hatte nicht nur ein einschlägiges kriminelles Milieu. Sondern auch einen Flughafen. Es konnte also theoretisch irgend jemand gewesen sein. Irgend jemand, der Matern in Frankfurt getroffen hatte und der ihm dann gefolgt war, um ihn im Weiherhof umzubringen? Warum nicht. Was dagegen sprach: Niemand hatte einen Fremden gesehen. Das hieß normalerweise: Täterschaft aus dem Nahbereich. Oder – Profis. Jemand, der wußte, daß Matern bei Anne Burau abstieg. Also die alten Kader.
War Matern ein Opfer der alten Genossen geworden? Konnte es einen »Kampf der Linien« gegeben haben, ganz wie früher? Oder waren einfach nur Geld- und Machtgier im Spiel? Matern hatte Geld. Darauf ließen nicht nur die Riesensummen schließen, die er in Anne Buraus Hof investiert haben mußte. Geld aus unbekannten und mit Sicherheit dubiosen Quellen. Bloße Spitzelhonorare reichten, soviel er wußte, an solche Summen nicht heran. Aber ließen sich Leute mit bloßer Bereicherungssucht Zeit für symbolische Handlungen? Die Art, wie der Tote drapiert worden war, und vor allem das Zeichen, das der oder die Täter auf seinem Hintern hinterlassen hatten, sprachen nicht für den Durchschnittsverbrecher mit den Durchschnittsmotiven. Es sei denn, man wollte den Verdacht auf andere lenken. Auf die Russen-Mafia? Kosinski fand die Vorstellung komisch.
Im Grunde seines Herzens war er der festen Überzeugung, daß es sich beim Mordfall Matern nicht um ein Verbrechen aus materiellen Motiven handelte. Sondern daß Gefühle im Spiel waren. Private Leidenschaften. Die kyrillischen Buchstaben ließen sich als Frauenname lesen. Also als das, was Männer schon immer in Bäume oder die eigene Haut einzuritzen pflegten. Cherchez la femme? Aber welche?
Gregor Kosinski warf sich in seinen Mantel, in den Trenchcoat, den Beate ihm einmal geschenkt hatte, weil er sie an Humphrey Bogart erinnere, wie sie neckisch behauptete. Er hatte sie entgeistert angesehen. Was hatte er mit einem Kinohelden zu tun? Gut, was die Falten in seinem Gesicht betraf, so konnte er mithalten. Aber schon die Körpermaße stimmten nicht mehr. »Nimm doch nicht immer alles so wörtlich!« hatte sie ihm nach diesem völlig korrekten Hinweis schmollend entgegengehalten. Er zuckte mit den Schultern. Frauen.
Wo waren, fragte er sich im Hinausgehen trübe, eigentlich all die Männer geblieben, mit denen man sich an schlechten Tagen hemmungslos besaufen konnte? Er hatte Freundschaften nicht gepflegt in den letzten Jahren. Alles Beate überlassen. Die den gemeinsamen Bekanntenkreis jetzt wahrscheinlich mitnehmen würde – in ihr neues Leben ohne ihn.
Vielleicht sollte er Paul Bremer anrufen. Mit dem hatte er schon einmal gepflegt einen gehoben. Kosinski seufzte tief und meldete sich bei Polizeiwachtmeister Dürr ab, der heute Dienst hatte. »Ich bin auf dem Weiherhof, bei Frau Burau«, sagte er. Die hatte mittlerweile auch was gegen die Liebe, dachte er befriedigt.
»Und guck mich nicht so an, als ob ich meinen Teddybären verloren hätte!«
Dürr guckte noch betroffener. Kosinski knallte die Tür.
Der Anruf kam, als er gerade aus dem Haus gegangen war. Dürr lief und rief ihm noch hinterher. Aber er war schon unterwegs. Und hatte wieder einmal vergessen, sein Autotelefon einzuschalten.
2
Bremer drehte sich um und ging die Straße hinunter zu seinem Haus. Er wollte nicht auch noch dabeisein, wenn Gottfried den toten Fritz fand. Sein Bedarf an herzerschütternden Dramen war für heute gedeckt. Außerdem ertappte er sich dabei, daß er zum ersten Mal ernstlich wütend war auf Marianne. Er hatte sie plötzlich richtig abstoßend gefunden in ihrer erbarmungslosen Kaltschnäuzigkeit. Das Leben zweier junger Männer war zerstört – aber sie verhielt sich so, als ob diese Tatsache sie auch noch tief befriedige. Sie hatte sich rachsüchtig gezeigt. Triumphierend. Auftrumpfend. Wie nach einer erfolgreichen Rattenjagd, dachte Paul und schüttelte sich.
Vor der Haustür empfing ihn schon der kleine
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