Caruso singt nicht mehr
zudrehten. Zum Ziegenbock, der ruhig in der Ecke seines Kobens lag, ebenso wie das Schwein. Auch die kranke Stute Hella, die im kleinen Stall eine Einzelbox bezogen hatte, lag in der Ecke. Aber sie rührte sich nicht, als Rena sie heranzulocken versuchte. Sie rührte sich auch nicht, als Rena sich über den Balken gleiten ließ und über das Stroh zu dem ihr seit Jahren vertrauten Tier ging.
Als das Licht ihrer Taschenlampe in die offenstehenden Augen der Stute fiel, sah Rena, das sie tot war. Als sie den Lichtkegel langsam heruntergleiten ließ, sah sie auch, warum Hella tot war.
»Jemand hatte ihr die Hinterbeine zusammengebunden, sie wehrlos gemacht. Und ihr den Bauch aufgeschlitzt …« So, wie es, das hatte sie bei einer Informationsveranstaltung der Polizei in Ebersgrund gehört, der Pferdekiller zu machen pflegte.
Auch Alexander war bei dieser Veranstaltung damals dabeigewesen.
»Den kriegen sie nie«, hatte er verächtlich gesagt.
»Aber das wäre ja schrecklich!«
Er hatte sie mitleidig angeguckt.
»Alexander!« Rena war entsetzt.
»Sie kriegen ihn nicht«, hatte er – geradezu zufrieden, wie Rena fand – wiederholt. »Der ist viel zu schlau, der Kerl.« Das klang fast bewundernd.
»Ich hab das damals nicht verstanden«, flüsterte Rena. Anne konnte ihre Verwirrung nachvollziehen. Pferden gehörte Renas ganze Liebe. Dem Pferdemörder, der die Gegend unsicher machte, gehörte ihr ganzer Haß. Wie konnte das jemand anders sehen? Und ausgerechnet Alexander?
Erst nach einer Stunde, die sie neben der toten Hella verbrachte, hatte Rena einen Entschluß gefaßt. »Ich wollte nicht so sein wie du«, flüsterte sie. Anne nickte. Welche Tochter wollte schon sein wie die Mutter? »Alexander hat gesagt, du seist eine Verräterin.« Rena guckte Anne trotzig an. Vielleicht, dachte Anne nüchtern, gibt sie ihm in diesem Punkt ja immer noch recht.
»Deine Mutter ist keine richtige Frau, keine Kameradin für einen Mann«, hatte Alexander abschätzig gesagt, nachdem Rena ihm erzählt hatte, daß sie wegen Leo Kiel hätten verlassen müssen. Und daß die Ehe der Eltern nur noch auf dem Papier bestand.
»Eine Frau muß zu ihrem Mann halten.« Darauf hatte Alexander mit großem Ernst bestanden. »Hinter ihrem Mann stehen, was immer geschieht.«
»Und du?« – und dabei hatte er sie streng angesehen – »Du hast Verräterblut in den Adern!«
»Woher hatte der Kerl denn diesen hochgestochenen Unsinn?« murmelte Kosinski zu Anne gewandt. Die zuckte mit den Achseln. »Die Nibelungen? Oder die ganze alte Nazischeiße?«
Alexander hatte Rena immer wieder erklärt, wie seiner Meinung nach die Beziehung zwischen den Geschlechtern aussehen müsse. »Treue«, pflegte er abschließend zu sagen, »Treue, unverbrüchliche Treue, das ist es, was Männer brauchen.«
Weshalb Rena schließlich beschloß, sich hinter ihren Mann zu stellen. Ihn zu schützen vor der Aufdeckung. Ohne zu begreifen, daß ihr Schweigen dazu völlig ausgereicht hätte. Wenn sie kaltblütig und bei Sinnen gewesen wäre, hätte sie gar nichts unternommen, dachte Anne. Oder wenigstens durchdachter gehandelt.
Halbherzig hatte Rena mit ihrem Feuerzeug den Strohballen angekokelt, der im Traktorraum an der Wand zu den Tierställen lag – und war dann ins Bett gegangen. Das Flämmchen hatte lange gebraucht, bis es zu Feuer wurde.
»Und warum hast du nicht das Stroh angezündet, auf dem die alte Hella …« Anne hätte sich auf die Zunge beißen können, als sie das verzweifelte Gesicht ihrer Tochter sah. »Ich konnte das nicht«, flüsterte Rena. »Es war doch Hella …«
Kosinski drückte Renas Hand. Liebe, dachte er. Die alte Leier. Rena hatte geglaubt, es der Liebe schuldig zu sein, Alexander zu decken. Auch wenn dazu Brandstiftung nötig war. Der Schaden, den sie angerichtet hatte, war zwar nicht gerade gering. Aber sonderlich geschickt hatte sie sich auch wieder nicht angestellt. Das gab, dachte er sich, zu Hoffnung Anlaß.
»Ich steh dazu«, sagte Rena und sah erst dem Inspektor ins Gesicht. Und dann sah sie Anne an. Bittend. Sie ist erwachsen geworden, dachte Paul überrascht. Kosinski nahm ihre Hand in seine beiden Hände, drückte sie noch einmal fest und legte sie dann behutsam neben sich auf den Tisch. »Wenn deine Mutter von der Inanspruchnahme der Brandversicherung absieht, sehe ich von allem anderen ab«, sagte er leise und sah Rena in die Augen. »Ist das erlaubt?« flüsterte das Mädchen zurück. »Nein«, sagte er und stand auf.
Als
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