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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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des Feuers kamen ihrer Einschätzung nach von rechts her, vom kleinen Stallgebäude und nicht von der Reithalle mit dem großen Pferdestall, an die sich das Wirtschaftsgebäude mit den Kühlkammern und dem Hofladen anschloß. Anne atmete auf. Das war ein lebenswichtiger Unterschied: zwischen einer Katastrophe und einem Schaden, der, fürchtete sie, noch weh genug tun würde. Im kleinen Pferdestall standen der Ziegenbock und das Hängebauchschwein. Die drei Ponies. Die kranke Stute Hella. Die schöne alte Pferdekutsche, die Anne eigenhändig restauriert hatte. Der Lanz, das völlig funktionstüchtige Museumsstück von altem Trecker, das sie mit dem Hof übernommen hatte. Anne lief schneller. Vielleicht konnte sie wenigstens die Tiere ins Freie lassen.
    Die Flammen schlugen aus dem hinteren Teil des Gebäudes, eine rote Flamme tanzte auf dem Dach, Ziegel platzten, Balken krachten. Ein dicker, gelber Geruch stieg ihr in die Nase. Anne rannte zu den Tiergehegen. Sie hörte das aufgeregte Meckern von Kalle, dem Ziegenbock. Als sie das Tor zu den Pferdeställen öffnete, stand den Ponies schon der Schaum vor den Nüstern. Mit rollenden Augen tanzten sie unruhig hin und her. Der Anblick der kreatürlichen Panik schnürte Anne die Kehle zu. Obwohl sie zur Seite gesprungen war, nachdem sie die Stalltüren geöffnet hatte, wurde sie von den Tieren an die Wand gedrückt, als alle gleichzeitig in wilder Flucht ins Freie stoben.
    Anne murmelte ein Stoßgebet, als sie die Alarmsirenen hörte – erst die aus Ebersgrund. Dann die aus ferneren Gemeinden. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern.
    Sie wickelte sich das nasse Handtuch um Haar, Mund und Nase und befreite Schwein und Ziegenbock. Wie sie die Tiere jemals wiederfinden sollte, die wahnsinnig vor Angst das Weite suchten, war ihr schleierhaft. Aber das war jetzt auch egal. Jetzt noch die Stute, die alte Hella, die im Stall nebenan stand. Das Feuer breitete sich, durch Stroh, Heu und trockenes Gebälk genährt, mit einem hohlen Röhren aus. Wenn die Feuerwehr nicht bald käme, gäbe sie auch für die anderen Gebäude keinen Pfifferling mehr.
    Als sie die Stalltür öffnete, nahm ihr der Rauch fast den Atem. Für die alte Hella kam jede Rettung zu spät. Das Tier lag auf der Seite, in der hintersten Ecke des Stalls. Regungslos.
    Draußen hörte sie Dagobert heulen. Ihn hätte sie beinahe vergessen. Als sie den Hund von der Kette nahm, hätte er sie fast gebissen. Und dann leckte er ihr wie von Sinnen die Hände. Wie dankbar so ein armes Vieh sein kann, dachte Anne und hatte plötzlich Tränen in den Augen. Als die Feuerwehr um die Ecke bog, stand sie, verschmutzt und fassungslos, in sicherer Distanz vor dem brennenden Stall, zu ihren Füßen der schwarze Kettenhund. Das sonst so aggressive Tier atmete rasselnd und hob kaum den Kopf, als die vielen fremden Leute von der freiwilligen Feuerwehr angelaufen kamen, die Schläuche zwischen Löschteich und Brandstelle entrollten, die Pumpen anwarfen. Anne verbot sich das Weinen. Und vergoß dann doch ein paar Tränen – vor Erleichterung.
     
    Der Löschteich, sonst Spielplatz des Federviehs, erfüllte endlich seine wahre Funktion. Auch Anne und Rena wurden von dem geübten Löschtrupp in die Arbeit eingebunden. Unter Schutzhelmen und feuerfesten Anzügen erkannte Anne Nachbarn aus Ebersgrund, Streitbach und Waldburg. Eine Frau war dabei – die kleine, stämmige Katja aus Streitbach, ehemalige Städterin auch sie. Sie war im Unterschied zu Anne darauf bedacht, sich den Riten des Landlebens zu unterwerfen, als sei sie hier geboren. Auf die Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr war sie besonders stolz. Das, hatte sie Anne kürzlich begeistert erzählt, ersetzte mindestens zwanzig Jahre Gemeindezugehörigkeit.
    Alle fügten sich den durchdringenden Kommandos eines breitschultrigen Hünen. Doch wahrscheinlich hätte das eingespielte Team auch ohne ihn in jeder Minute gewußt, was zu tun war. Anne merkte verblüfft, wie sehr sie diese gemeinschaftliche Aktion beflügelte; sie verspürte fast eine leichte Euphorie, als sie sah, wie ernst und enthusiastisch zugleich hier alle zusammenarbeiteten. Das gibt es also wirklich, dachte sie bei sich, das berüchtigte Gemeinschaftserlebnis in Zeiten der Not …
    Das Feuer war in beachtlicher Geschwindigkeit gelöscht. Viel war ja auch nicht mehr zu löschen gewesen. Die Männer hatten gerade noch die bereits schmorenden und dampfenden Strohballen aus dem vorderen Teil des Stalls herausziehen

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